Straßenbahnhaltestelle „S Friedrichshagen"
Auf dem Weg nach Friedrichshagen
Nach der Erkundung des Ortsteils Adlershof und der Altstadt Köpenick fahre ich heute mit der Tram weiter in Richtung Friedrichshagen. Die Bahn schlängelt sich quer durch die engen Straßen der Altstadt Köpenick und fährt dann auf die andere Seite der Müggelspree. Vorbei geht es am Platz des 23. April, der an den Einzug der Sowjets 1945 erinnert. Eine Stele auf dem Platz soll außerdem der Opfer der „Köpenicker Blutwoche“ gedenken, in der 1933 über 20 Gegner des Naziregimes von der SA ermordet wurden. Einige der umliegenden Straßen sind nach den Ermordeten benannt.
Die Strecke führt weiter vorbei am Amtsgericht, am Finanzamt Köpenick und am „Coepenicker Bowlingcenter“. Dann ändert sich die Umgebung schlagartig. Immer geradeaus geht es nun durch ein Waldgebiet. Rechts aus dem Fenster schauend, lässt sich hinter den Villen bereits der Müggelsee erahnen. Die Haltestelle „Wassersportzentrum“ bestätigt meine Annahme. Nach 29 Minuten Fahrzeit vom S-Bahnhof Adlershof (die Straßenbahnen 60 und 61 benötigen trotz unterschiedlicher Wegführung dieselbe Zeit) erreiche ich schließlich den S-Bahnhof Friedrichshagen.
Traditionsreiches Kino
Zuerst wende ich mich der nördlichen Seite des Bahnhofs zu. Etwas überrascht bin ich, als ich eine historische Straßenbahn dort abfahren sehe. Die Streckenführung der Tram 88 verbindet seit über 100 Jahren Friedrichshagen mit Schöneiche und Rüdersdorf. Auf dem daneben liegenden Platz findet jeden Sonntag ein Flohmarkt statt. Im gegenüber liegenden Park befindet sich das Freiluftkino Friedrichshagen, welches bis 2007 noch „Naturtheater“ hieß. Die Saison ist im März aber natürlich noch nicht eröffnet.
Hinter der S-Bahnbrücke beginnt die Bölschestraße, die als eine der schönsten Einkaufs- und Flaniermeilen Berlins gilt. Vorbei am Marktplatz, einer Kirche und vielen historischen eingeschossigen Kolonistenhäusern, schlendere ich in Richtung Müggelsee.
Nicht weit vom Bahnhof entfernt befindet sich das Kino Union, ein Programmkino, das bereits seit 1913 besteht. In dem Saal werden heutzutage nicht nur Spiel- und Dokumentarfilme gezeigt, vielmehr dient der Raum mal als Disco, Partylocation oder Lese- und Konzertbühne. Auch Lokalpolitiker präsentieren sich hier hin und wieder bei Podiumsdiskussionen.
Frühling in der Bölschestraße
Ich gehe weiter Richtung Süden. An diesem warmen Frühlingstag sitzen die Menschen bereits auf dem Gehweg vor den Cafés und Restaurants. Die Bäume sind zwar noch nicht grün, doch bereits jetzt strahlt die Bölschestraße ein besonderes Flair aus. Schade jedoch, dass sie so stark befahren und beparkt ist. Bei meinem Schaufensterbummel entdecke ich in den historischen Gebäuden Läden, die außergewöhnliche Dinge wie selbstgemachten Schmuck, Rasieraccessoires für den Mann und sogar hausgemachtes Käsekucheneis verkauft. Vom Buchladen über Boutiquen, Schuhläden und Blumengeschäften bis zu einer edlen Chocolaterie findet man hier fast alles, was das Herz begehrt. Angenehm finde ich, dass sich große Laden- und Restaurantketten bisher in der denkmalgeschützten Straße kaum ansiedeln konnten.
Ich erreiche die Christophoruskirche, die erhaben über den Marktplatz zu wachen scheint. Auf diesem erinnert eine Statue an den Gründer Friedrichshagens. Friedrich der Große veranlasste hier Mitte des 18. Jh. die Ansiedlung von „ausländischen“ Zuwanderern, die Seidenraupen züchten und Baumwolle spinnen sollten. Ein Gang über den zweimal wöchentlich statt findenden Wochenmarkt ist eher enttäuschend.
Fast wie Urlaub: am See
Einige Cafés und Restaurants locken zum Verweilen. Es zieht mich zunächst in das schön eingerichtete Café Mahlzeit. Die große Auswahl an selbstgebackenen Kuchen macht mir die Entscheidung schwer. Doch der gedeckte Apfelkuchen ist eine gute Wahl. Regelmäßig finden im Café auch kleinere Kulturveranstaltungen statt. Zudem wird jeden Montag ein „Mahlzeit Genie“ beim „Café-Tablequiz“ gekürt.
Gestärkt gehe ich weiter in Richtung Müggelsee. Ich komme an der seit 2010 geschlossenen Brauerei Berliner Bürgerbräu vorbei. Den Blick zieht die edel anmutende „Weiße Villa“ auf sich. Darin befindet sich ein Restaurant sowie das wohl einzige Theater Friedrichshagens: das Deutsche Nationaltheater Fritzenhagen. Gerade mal 25 Menschen haben dort Platz, um amüsante Stücke wie zum Beispiel das „Phantom der Operette“ anzuschauen.
Ein Stück weiter links erreiche ich dann den „Müggelpark“ von dem der Spreetunnel auf die gegenüberliegende Seite des Sees führt. Bei dem schönen Wetter möchte ich es nicht verpassen, den direkt am Wasser gelegenen Biergarten „Schrörs“ zu besuchen. Am 15. April werden sich hier die Segelsportvereine des Müggel-Reviers zum alljährlichen Ansegeln auf dem größten See Berlins treffen. Es ist wirklich ein schöner Ort, um in der Sonne zu sitzen, aufs Wasser zu blicken und die Stille zu genießen. Schade nur, dass die Essensbude ihr Angebot bisher auf deftige, fleischlastige Speisen wie Gulasch beschränkt und einer Vegetarierin nichts anbieten kann. Auf die Sommersalate müsse ich noch ein wenig warten... À propos Stille: Etliche Plakate und blaue Stofffetzen an den Fenstern machen auf die Sorge der Friedrichshagener Bevölkerung aufmerksam, dass mit Eröffnung des neuen Großflughafens in Schönefeld die erholsame Ruhe ein Ende haben könnte. Eine Bürgerinitiative kämpft gegen die derzeitige Planung, die Flugrouten teilweise direkt über den See zu führen.
Bevor ich meine Erkundungstour fortsetze, finde ich direkt nebenan das Seebad Friedrichshagen (nicht zu verwechseln mit dem Strandbad). Auch hier finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte oder Lesungen statt. Direkt im Seebad kann man Flöße von „Floß und Los“ leihen. Das ist sicherlich in den Sommermonaten eine tolle Gelegenheit, einen erholsamen Tag auf dem Wasser zu verbringen. Allerdings ist es ein, wie ich finde, recht teurer Spaß: Ein Floß für 8 Menschen kostet je nach Saison und Wochentag zwischen 120 und 160€ pro Tag.
Etwas abseits: Tapas mit Wein und der Friedrichshagener Dichterkreis
Auf dem Rückweg in Richtung Bahnhof werfe ich einen Blick in die Seitenstraßen der Bölschestraße. Nicht alles ist hier so schick renoviert wie in der repräsentativen Hauptstraße. Im Gegenteil: Altes Kopfsteinpflaster und verrostete Ladenschilder vergangener Zeiten prägen diese Gegend. Aber auch das hat seinen Charme. Edel dürfte es trotzdem in der „Hofküche“ zugehen. Die Betreiber der professionell eingerichteten Küche bieten Kochkurse und -Events wie z. B. „Fisch aus dem Müggelsee“ oder Musikabende mit Flamenco, Tapas und Wein an. Ein Stück weiter entdecke ich das Antiquariat Brandel. Es beherbergt neben Büchern auch das "Dichterkreismuseum". Dieses widmet sich in wechselnden Ausstellungen den naturalistischen Autoren, die es um die 19. Jahrhundertwende nach Friedrichshagen gezogen hatte und die den bekannten „Friedrichshagener Dichterkreis“ bildeten. Dazu zählt unter anderem Wilhelm Bölsche, nach dem die Bölschestraße benannt ist. Der Friedrichshagener Dichterkreis ist übrigens auch Gegenstand einer in regelmäßigen Abständen stattfindenden Führung von „OnTour Berlin“.
Zum Abschluss meines Ausflugs nach Friedrichshagen kehre ich in das Café „Mauna Kea“ ein. Draußen sind leider schon alle Plätze belegt, aber direkt neben der eindrucksvollen Bücherwand finde ich noch einen netten Platz. Einen der zahlreichen Kuchen werde ich bei meinem nächsten Besuch probieren.
Fast wie in Friedrichshain
Auf den ersten Blick scheint der sich stilvoll präsentierende Ortsteil Friedrichshagen wenig für ein studentisches Publikum zu bieten haben. Ein ortskundiger Student widerspricht dem aber und nennt mir seine Lieblingskneipen. Dazu gehören die Kneipen „Joseph Heinrich“ und das in einer Seitenstraße gelegene „Rabu“. Außerdem entdecke ich die Kneipe „Landfall“, die jungen Bands die Möglichkeit bietet, in der Öffentlichkeit aufzutreten und ihr Konzert live aufzunehmen. Diese Kneipe könnte ohne weiteres auch im szenigen Friedrichshain zu finden sein.
Feste feiern in Friedrichshagen
Auf dem Weg zum S-Bahnhof stelle ich mir vor wie es hier wohl aussehen mag, wenn erst einmal die Bäume grün sind. Was muss das für eine Stimmung beim im Mai stattfindenden Bölschefest sein! Etwa 200 000 Besucher zieht es alljährlich zu diesem Fest, das mit einem großen Feuerwerk über dem Müggelsee endet. Etwas beschaulicher doch nicht weniger spannend muss das Kneipenmusikfest sein, bei dem zwei Mal im Jahr (das nächste Mal im Oktober) sämtliche Kneipen und Cafés für Bands und Musiker geöffnet sind.
Nicht nur aufgrund dieser Feste wird es mich bestimmt noch weitere Male nach Friedrichshagen am Müggelsee ziehen!
Fortsetzung folgt... Straßenbahnhaltestelle "Strandbad Müggelsee"
Hier gehts zu den Friedrichshagener Adressen.
Von Herrn Kniesche bekam ich noch folgende Empfehlung:
"Das Restaurant Bräustübel [jetzt Bräustübl] liegt am Ende der Bölschestraße unmittelbar vor der Brauerei. Es bietet neben dem Restaurant mit guter deutscher Küche einen historischen "Alten Ballsaal". Dort finden regelmäßig Konzerte und Theaterveranstaltungen statt. Alle Räume sind im historischen Stil belassen und mit viel dunklem Holz ausgestattet. Empfehlenswert ist der Sonntags-Brunch ab 11 Uhr. Seit letztem Sommer gibt es auch einen Biergarten direkt am Wasser.
http://www.braeustuebl-mueggelsee.de/"
Vielen Dank dafür!
Habt ihr noch weitere Anregungen, was man in der Friedrichshagen entdecken kann?
Schreibt eine Mail an: sandra.haufe.2@uv.hu-berlin.de