Mira Frye
Philosophische Fakultät III, Institut für Kulturwissenschaft
Zusammenfassung der Magisterarbeit
Die Figur des Gespensts durchwandert die europäische Kulturgeschichte seit der An-tike und hat bis heute nichts von ihrer Faszinationskraft eingebüßt. Als ephemere Erscheinung unterläuft sie die Grenze zwischen Tod und Leben, Wahn und Wirklich-keit, An- und Abwesenheit und stellt die Wissenschaft damit vor Probleme. Die vorliegende Magisterarbeit antwortet auf diese Herausforderung mit einer kulturwissenschaftlichen Perspektive. Sie konturiert die Figur des Gespensts im Zeitraum von 1750-1800 und nimmt dazu zeitgenössische philosophische, psychologische und naturwissenschaftliche Debatten ebenso in den Blick wie die spezifische Medialität und Ästhetik des Gespenstischen. Sie rekonstruiert, wie das Gespenst im Zusammenspiel von Diskursen, Räumen, Praktiken und Medien entsteht.
Im Zusammenhang mit der Scheintod-Debatte, der Transformation der Jenseitsvor-stellung und der Genese bürgerlicher Sepulkralästhetik bildete sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein neuer Gespenstertyp heraus. Zur gleichen Zeit, als die Aufklärer das Gespenst aus dem Bereich der Wissenschaft ausschlossen und es als Ausdruck des Aberglaubens diskreditierten, wurde es zu einem zentralen Motiv innerhalb der sich formierenden Unterhaltungskultur. Zwei mediale Dispositive mach-ten das Gespenst zu dieser Zeit massentauglich: Die Laterna-magica-Projektionen des Phantasmagorientheaters und die frühromantische Romanliteratur. Das Verhältnis zwischen Gespenstern und Medien ist in beiden Fällen ein doppeltes: Medien ermöglichen die Erfahrung des Gespenstischen, während das Gespenst zugleich das exklusive Sujet bildet, anhand dessen Medien ihre Medialität reflektieren. In ihrer Flüchtigkeit, Immaterialität und täuschenden Lebendigkeit sind die technisch erzeugten Bilder der Laterna magica den Gespenstererscheinungen verwandt. Auch zeitgenössische Geisterromane wie C. Grosses Der Genius zeigen, dass neue mediale Wahrnehmungsmodi unter Bezug auf Gespenster verhandelt wurden. Der Roman veranlasst den Leser, das Gelesene mental zu visualisieren und entfaltet bei der Beschreibung von Geistererscheinungen sein volles halluzinatorisches Potential. Dementsprechend werden die psychischen und physiologischen Effekte des Lesens in zeitgenössischen Lektürebeschreibungen mit der Erfahrung des Gespenstischen verglichen.
Die literarische Darstellung der Geistererscheinungen verweist zudem auf wissen-schaftliche Experimente im Rahmen der sich um 1800 konstituierenden Sinnesphysiologie. Das Sehen von Gespenstern wurde nicht mehr auf eine pathologische Einbildungskraft, sondern auf die natürliche Produktivität der Sinnesorgane zurückgeführt. Das neue Wissen über die physiologische Entstehung referenzloser Sinnestäuschungen, so genannter "Augengespenster", bildete eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung kinematografischer Verfahren. Die kulturelle Allianz von Medien und Gespenstern, wie sie sich im 18. Jahrhundert abzeichnet, reicht über den Spiritismus, die Geisterfotografie des 19. Jahrhunderts und das frühe Kino bis in die Gegenwart hinein. Die Figur des Gespensts bildet einen zentralen Bezugspunkt aktueller Medientheorien und auch im Bereich des Films und der Medienkunst wird immer wieder ein Zusammenhang zwischen technischen Medien und dem unfassbaren Grauen des Gespenstischen hergestellt.
Lebenslauf
Studium
05/2009
Abschluss Magister Artium (M.A.) in Kulturwissenschaft und neuerer
deutscher Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin (mit
Auszeichnung)
2004-2005
Erasmus-Aufenthalt an der Universidad de Sevilla, Spanien
2002-2009
Studium der Kulturwissenschaft und neueren deutschen Literatur an der
Humboldt-Universität zu Berlin
2000-2001
Studium der Philosophie, Sozialanthropologie und neueren deutschen
Literatur an der Ruhr-Universität Bochum
2000
Abitur, Dortmund
1998-1999
Escanaba Area Highschool, Michigan, USA
Arbeitserfahrung
10/2006 - 03/2009
Studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Joseph Vogl, Institut für
deutsche Literatur, HU Berlin
10/2007 - 01/2008
Freie Mitarbeit beim DFG-Netzwerk "Gewalt der Archive", HU Berlin
09-11/2007
Studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. Natascha Adamowsky, Institut für
Kulturwissenschaft, HU Berlin
02-04/2006
Praktikum in der Programmabteilung des Goethe-Instituts Osaka, Japan
(DAAD Stipendium)
08-10/2005
Praktikum beim Museum für Kommunikation in Berlin, u.a. Mitarbeit bei
dem Ausstellungsprojekt "Deutsch-deutsche Briefwechsel" und der
Fotoausstellung "Gesammelte Helden"
09-10/2003
Praktikum bei der Eikon Filmproduktion in Berlin, u.a. Mitarbeit an
einem Arte-Themenabend zum Thema "Frauen und Macht" und einer
Dokumentation über Kochkultur in China
2003
Dokumentarfilm (16', DV) "Getrennte Welten", realisiert am Institut
für Kulturwissenschaft, HU Berlin
2001
Praktikum in der Dramaturgie des Bochumer Schauspielhauses
09/2001 - 03/2002
Freie Mitarbeit beim Hellweger Anzeiger und der Westfälischen
Rundschau
11-12/2001
Praktikum in der Filmproduktionsfirma Colourfield TellaVision
(Dortmund)
2000
Besucherbetreuung und Information bei der Medienkunstausstellung
"Vision Ruhr" des Westfälischen Industriemuseums, Zeche Zollern
II/IV