Humboldt-Universität zu Berlin

André Berndt

Humboldt-Preis für seine Dissertation

Mechanismus und anwendungsbezogene Optimierung von Chan-nelrhodopsin-2

 

Zusammenfassung

 

Pflanzen und Tiere reagieren auf Licht, indem in ihren Zellen lichtsensitive Proteine, die sogenannten Photorezeptoren, angeregt und aktiviert werden. Channelrhodopsin-2 (ChR2) ist ein Photorezeptor, der sich in der äußeren Zellmembran der einzelligen Alge Chlamydomonas reinhardtii befindet und nach Anregung ein elektrisches Signal auslöst. ChR2 wird, wie alle Proteine, aus verschiedenen Aminosäuren aufgebaut und enthält zusätzlich den lichtempfindlichen Farbstoff Retinal. Die Anregung durch Licht führt zu strukturellen Änderungen im Protein. Dadurch bildet sich eine Pore durch die positiv geladenen Ionen über die Zellmembran fließen. Der genaue Mechanismus der Porenöffnung und Ionenleitung war aber bislang unklar. Daher habe ich gezielt einzelne Aminosäuren ausgetauscht und durch andere ersetzt. Einige dieser Mutationen führten zu einer schnelleren oder langsameren Porenöffnung. Die beteiligten Aminosäuren müssen daher an der Aktivierung des Proteins beteiligt sein. Andere Mutationen führten dagegen zu einem verstärkten oder verminderten Fluss bestimmter Ionenspezies wie Protonen, Natrium- und Kalziumionen. Daraus folgerte ich, dass die entsprechenden Aminosäuren am Aufbau der Pore beteiligt sind. Um dies zu verdeutlichen, habe ich verschiedene mathematische Modelle an meine Ergebnisse angepasst. Demnach führt die Lichtanregung zunächst zu Änderungen in der Struktur und Polarisation von Retinal, die von der Aminosäure Cystein 128 detektiert werden und zur Porenöffnung führen. Ich konnte zeigen, dass die geöffnete Pore in mindestens zwei verschiedenen Formen vorliegt, die Ionen unterschiedlich stark leiten. Die Übergänge zwischen den Porenformen werden von der Aminosäure Glutamat 123 kontrolliert, während an der Porenbildung Glutamat 90, Histidin 134 und Glutamat 235 beteiligt sind. Aufgrund deren Lage im Protein folgerte ich, dass die Pore durch jedes einzelne ChR2 Molekül verläuft und nicht, wie alternativ vorgeschlagen wurde, durch den Zusammenschluss mehrerer Moleküle entsteht.

Die große Relevanz von ChR2 ergibt sich aus dessen Anwendung in den Neurowissenschaften. Durch die Einschleusung dieser Proteine in Nervenzellen lassen sich deren elektrische Signalweitergabe und damit die Kommunikation mit anderen Nervenzellen durch Licht kontrollieren. Dadurch wurde in den letzten Jahren ein völlig neuer Forschungszweig, die Optogenetik, etabliert.       

Der Austausch von Aminosäuren führte zu ChR2 Varianten mit neuen biophysikalischen Eigenschaften, die das Anwendungsspektrum von Channelrhodopsin-2 in der Optogenetik vergrößern. Insgesamt konnten in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern drei neue Varianten entwickelt werden. 1. Die Step Function Opsine (SFO) bleiben nach einer kurzen Anregung mit blauem Licht teilweise minutenlang geöffnet. Sie können aber durch grünes Licht sofort inaktiviert werden. Enthält ein Neuron SFO, kann man es durch Licht verschiedener Wellenlänge zwischen einem aktiven und inaktiven Zustand hin und her schalten. 2. Die ChR2 Variante ChETA besitzt beschleunigten Kinetiken und erlaubt es in Nervenzellen elektrische Signale mit sehr hoher Frequenz auszulösen. 3. Die natürliche Aktivität von ChR2  ist relativ klein und reicht in einigen Fällen nicht aus, um Neurone durch Licht anzuregen. Eine meiner Varianten besitzt eine bis zu zwei Mal größere Aktivität und regt Nervenzellen daher mit einer höheren Zuverlässigkeit an.

Das ist allerdings erst der Anfang. In Zukunft können durch die detailierten Kenntnisse des ChR2 Mechanismus weitere anwendungsoptimierte Varianten entwickelt werden.