Humboldt-Universität zu Berlin

Heinrich Heine

Lyriker - politischer Schriftsteller - Demokrat

 

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Heinrich Heine

Julius Giere (1807-1880), Heinrich Heine,
Lithographie nach einer eigenen Ölskizze Gieres
von 1838 mit eigenhändiger Widmung Heines:
„Seinem Bruder Gustav verehrt diese Abschrift seines
Gesichtes Heinrich Heine. Paris d. 25 August 1851“ /
Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf

Heinrich Heine, geboren 1797 als ältestes von vier Kindern einer jüdischen Tuchhändlerfamilie in Düsseldorf, gehört zu den großen Literaten des Vormärzes, des Wetterleuchtens der bürgerlichen-liberalen Revolution von 1848 in Deutschland, der, von der Romantik kommend, alsbald prononciert ins politisch-satirische Sujet der Lyrik wechselte.

Seine Werke haben mit ihrer satirischen Radikalität im Kampf um Demokratie und bürgerliche Freiheit zahlreiche politische Diskussionen und Kontroversen ausgelöst, die zum Teil bis heute anhalten. Aber nicht minder hinterlassen die schlichte Schönheit und zugleich Raffinesse seiner Sprache und Verse, in der wohl einmaligen Kombination von Leichtigkeit und Bitterkeit (wenn nicht „Biss“), bleibenden literarisch-ästhetischen Eindruck.

Von 1821 bis 1823 war Heinrich Heine Student an der Berliner Universität, wo die Vorlesungen Georg Friedrich Hegels fortan zeitlebens sein Geschichtsbild und Kunstverständnis prägten, und wo er sich eng mit Karl Marx anfreundete.

 

 

 

 

 

 

 

Werdegang

1814 verließ Heine in Düsseldorf vorzeitig das Lyzeum und arbeitete die folgenden beiden Jahre zunächst als Volontär bei einem Frankfurter Bankier, dann im Bankhaus seines wohlhabenden Onkels Salomon Heine in Hamburg, der ihn zeitlebens unterstützte. 1819 begann er ein Jurastudium in Bonn, ging dann für kurze Zeit nach Göttingen und wechselte schließlich 1821 an die Berliner Universität. In seinen beiden Berliner Jahren fand er Zugang zu den literarischen Zirkeln und Salons der Stadt, die Mauersche Buchhandlung druckte seine ersten Gedichte, und in der Zeitschrift Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz erschien das berühmte, vielfach vertonte „Lied von der Loreley“, das bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gern genannt wird, wenn es darum geht, ihn auf die Romantik zu reduzieren.

1824 kehrte Heine nach Göttingen zurück, legte dort ein Jahr später sein Examen ab und wurde zum Doktor der Rechte promoviert. Ein Jahr darauf fasste er den Entschluss, zum Christentum zu konvertieren, weil er sich davon höhere Anstellungschancen als Jurist erhoffte. Er ließ sich taufen, was er später mehrfach bereute, legte seinen ursprünglichen Namen Harry ab und nannte 

sich fortan Christian Johann Heinrich, kurz Heinrich Heine. Aber seine jüdischen Wurzeln verhinderten weiterhin die angestrebte Laufbahn als Anwalt, ebenso wie eine Professur an der Universität München.

Der Weg zum Schriftsteller

Nach dem Scheitern seiner beruflichen Pläne verlegte sich Heine ganz auf die Schriftstellerei. 1826 erschien als erster großer Publikumserfolg seine „Harzreise“, ein nur auf den ersten Blick romantischer Reisebericht, denn hier schwingt schon die Kritik an Restauration (Karlsbader Beschlüsse von 1819) und Nationalismus mit. Die seitdem geltende Zensur in Deutschland betraf immer wieder vor allem seine Texte, was er ab 1827 auch als Redakteur der Neuen allgemeinen politischen Annalen in München zu spüren bekam. Er verlegte seinen Wohnsitz nach Paris, wo er von 1831 an seine zweite Lebenshälfte verbachte. Ungeachtet vielfältiger politischer Anfeindungen aus Deutschland verbreitete sich der Ruhm seines literarischen Talents in ganz Europa, insbesondere in Frankreich.

Ab 1835 wurden Heines Werke wegen angeblicher „Herabwürdigung der bestehenden sozialen Verhältnisse“ und mit dem Vorwurf, „die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen“ und „alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören“ (Koopmann 1970, S. 191) in allen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes verboten. Im April 1844 erließ das Königreich Preußen gar einen Grenzhaftbefehl gegen ihn, ebenso wie gegen Karl Marx. Ungeachtet dessen erschien im selben Jahr Heines zweiter Lyrikband, dessen Teil „Deutschland, ein Wintermärchen“ von den preußischen Behörden postwendend verboten und beschlagnahmt wurde.

Heines Wirken nach dem 2. Weltkrieg

Ein Großteil des staatlichen Widerstandes gegen die Kritik Heines an den Vormärz-Verhältnissen in Deutschland ist auch auf seine jüdischen Wurzeln zurückzuführen. Selbst nach 1945 wurde sein Werk kontrovers diskutiert, vor allem im Westen Deutschlands, wo er eher als romantischer Lyriker denn als politischer Schriftsteller und Publizist galt. Die DDR dagegen pflegte ein anderes Heine-Bild – für sie war er Teil der fortschrittlichen Tradition des Bürgertums und damit des sogenannten „progressiven Erbes“ des Arbeiter-und-Bauer-Staates. Dabei spielte insbesondere seine enge Freundschaft mit Karl Marx eine Rolle, dessen revolutionäres Gedankengut durchs „Wintermärchen“ ebenso hindurchschimmert wie die Lage der Arbeiterklasse des frühen Industriezeitalters in den „Schlesischen Webern“ (1844), und der von Heine die Metapher von der Religion als „Opium des Volkes“ übernahm. Frühzeitig gab es Heine-Kongresse in der DDR (erstmalig 1956 in Weimar), es erschienen Gesamtausgaben, und er war wichtiger Gegenstand des Deutschunterrichts in den Schulen.

Auch in der Bundesrepublik gründete sich 1956 in Düsseldorf eine Heinrich-Heine-Gesellschaft, und erstmals wurde in seiner Geburtsstadt eine Straße nach ihm benannt, aber die Düsseldorfer Universität brauchte drei Anläufe (1972, 1973 und 1982), bis sich die Professorenschaft darauf verständigen konnte, der Universität den Namen des großen Dichters zu geben. Vollzogen wurde dies wiederum erst 1988. Zum 175. Geburtstag Heines, 1972, gab es, konkurrierend in beiden deutschen Staaten (Düsseldorf und Weimar) internationale Heine-Kongresse.

Die Heine-Sympathie in der DDR aber hatte – jedenfalls unter kritischen Intellektuellen und Künstlern – noch weitere, gleichsam verdeckte Gründe, denn er wurde dort auch als jemand gelesen, der gerade mit seiner Melancholie über den Zustand Deutschlands als vielfach zerrissenes, nun erneut geteiltes Land, einer Sehnsucht nach Demokratie, bürgerlichen Freiheiten und nationaler Einheit Ausdruck verlieh. Der Seufzer „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ aus den „Nachtgedanken“ von 1844 wurde von ihnen anders gelesen, gleichsam aus gegebenem Anlass, als man ihn im Westen rezipierte. Vor allem aber im „Wintermärchen“ ist z. B. dem Zorn über die Doppelmoral der staatlichen Obrigkeit („Ich weiß, sie tranken heimlich Wein, und predigten öffentlich Wasser“) oder dem „alten Entsagungslied“ (ursprünglich „vom Himmel“), mit dem das Volk „eingelullt“ wurde, eine aktuelle Bedeutung zugeschrieben worden. Mit Heine konnte man, natürlich indirekt, aber lustvoll, die Zustände in der DDR kritisieren, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.

Von 1848 an plagten Heine schwere Krankheiten, die folgenden acht Jahre verbrachte er, fast vollständig gelähmt, im Exil seiner Pariser „Matratzengruft“. Dort starb er, literarisch produktiv bis zum letzten Tag, im Beisein seiner Frau Mathilde am 17. Februar 1857. 

Schriften

  • Heinrich Heine – Historisch-kritische Gesamtausgabe seiner Werke, hg. von Manfred Windfuhr, 16 Bde., Hamburg 1973-1997.

  • Heinrich Heine-Säkularausgabe. Werke, Briefe, Lebenszeugnisse, hg. von Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Deutschen Literatur Weimar/Centre National de la Recherche Paris, 53 Bde., Berlin 1970ff.

Literatur (in Auswahl)

  • Galley, Eberhard: Heine, Christian Johann Heinrich, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, Stuttgart 1969, S. 286-291.
  • Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter, Frankfurt/Main 1992.
  • Hauschild, Jan-Christoph/Michael Werner: Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst. Heinrich Heine – eine Biographie, erw. Neuausg. Frankfurt/Main 2005.
  • Koopmann, Helmut: Das Junge Deutschland –Analyse seines Selbstverständnisses, Stuttgart 1970. 

 


 

Heinrich Heine

13th December 1797 (Düsseldorf) – 17th February 1856 (Paris)

 

Poet – Political writer – Democrat

 

Julius Giere (1807-1880), Heinrich Heine, Lithographie nach einer eigenen Ölskizze Gieres von 1838 mit eigenhändiger Widmung Heines: „Seinem Bruder Gustav verehrt diese Abschrift seines Gesichtes Heinrich Heine. Paris d. 25 August 1851“ / Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf
Heinrich Heine, Foto: Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf
Heinrich Heine, born in 1797 into a Jewish family of cloth merchants in Düsseldorf, the oldest of four children, is one of the great literary figures of the Vormärz (pre-March era) – the brewing storm before the bourgeois-liberal revolution of 1848 in Germany – who, coming from the Romantic movement, quickly switched in pronounced fashion to the political-satirical subject of lyricism. His works, with their satirical radicalism, sparked numerous political debates and controversies in the struggle for democracy and civil liberty, some of which continue to this day. No less a legacy, however, of the simple beauty yet sophistication of his language and verses, in their combination of levity and bitterness (if not “bite”) that is arguably unique, is the lasting literary and aesthetic impression they leave behind.

 

From 1821 until 1823, Heinrich Heine was a student at the University of Berlin, where the lectures of ® Georg Friedrich Hegel shaped his conception of history and understanding of art for the remainder of his life, and where he became close friends with ® Karl Marx.

 

 

 

 

 

Career

In 1814, Heine left the lyceum in Düsseldorf early and, for the next two years, worked first as a trainee for a Frankfurt banker, then at the bank of his wealthy uncle Salomon Heine in Hamburg, who supported him throughout his life. He began studying law in Bonn in 1819, then went to Göttingen for a brief period before ultimately moving to the University of Berlin in 1821. During his two years in Berlin, he gained access to the city’s literary circles and salons, the Mauersche bookshop printed his first poems, and the magazine Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz published the famous, and often set-to-music, “Song of the Loreley”, which, up until the mid-twentieth century, was readily cited in any attempts to reduce him to Romanticism.

 

In 1824, Heine returned to Göttingen, where he sat his examinations a year later and was awarded a doctorate in law. One year after that, he decided to convert to Christianity because he hoped this would give him better opportunities for employment as a lawyer. He was baptised, which he later regretted on a number of occasions, and renounced his original name, Harry, from then on calling himself Christian Johann Heinrich, or Heinrich Heine for short. However, his Jewish roots continued to hamper his desired career as a lawyer, as well as a professorship at the University of Munich.

The path to becoming a writer

Following the failure of his professional plans, Heine resorted entirely to writing. He had his first major popular success with his 1826 work Harzreise (The Harz Journey), a travel account that was Romantic only at first glance, for, already here, criticism of restoration (the Carlsbad Decrees of 1819) and nationalism resonate. The censorship that had been in force since then in Germany repeatedly affected his texts, especially, which he also came to feel from 1827 onwards as editor of the Neue allgemeine politische Annalen (New general political annals) in Munich. He took up residency in Paris, where he spent the second half of his life from 1831 onwards. Despite various political hostilities from Germany, the fame of his literary talent spread throughout Europe, especially in France.

 

As of 1835, Heine’s works were banned in all member states of the German Confederation due to an alleged “vilification of the existing social conditions” and with the accusation that he was “attacking the Christian religion in the most impudent way” and “destroying all discipline and morality” (Koopmann 1970, p. 191). In April 1844, the Kingdom of Prussia issued an arrest warrant for him, as well as for Karl Marx. In spite of this, Heine’s second volume of poetry was published that same year, part of which, “Deutschland, ein Wintermärchen” (“Germany. A Winter’s Tale”) was immediately banned by the Prussian authorities, and the stock confiscated.

Heine's work after the Second World War

A large part of the state’s resistance to Heine’s criticism of the conditions in Germany in the period preceding the March Revolution is also attributable to his Jewish roots. Even after 1945, his work was contentiously debated, especially in the West of Germany, where he was sooner considered a Romantic poet than a political writer and journalist. The GDR, on the other hand, cultivated a different image of Heine – there, he was considered part of the progressive tradition of civil society, and thus of the so-called “progressive heritage” of the workers’ and peasants’ state. A particular part was played in this by his close friendship with Karl Marx, whose revolutionary ideas shine through the “Winter’s Tale” just as the circumstances of the working class of the early industrial age do in the “Silesian Weavers” (“Die Schlesischen Weber”; 1844), and who adopted Heine’s metaphor of religion as the “opium of the people”. Heine congresses were held at an early stage in the GDR (the first in 1956 in Weimar), complete editions of his works were published, and he was an important subject of German lessons in schools.

 

A Heinrich Heine Society was also founded in the Federal Republic of Germany, in Düsseldorf in 1956, and, for the first time, a street was named after him in his native city; however, it took the University of Düsseldorf three attempts (1972, 1973 and 1982) before the body of professors could agree on bestowing the name of the great poet on the university, and, again, this was only consummated in 1988. To mark Heine’s 175th birthday, in 1972, competing international Heine congresses were held in both German states (in Düsseldorf and in Weimar).

 

However, the appeal of Heine in the GDR – at least among critical intellectuals and artists – had additional, almost covert reasons. For he was also read there as someone who expressed a longing for democracy, civil liberties and national unity, especially with his melancholy concerning Germany’s state as a country that had been torn apart many times over and was now divided once again. The sigh “Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht” (If I think of Germany in the night, I am jolted from my sleep) from his Nachtgedanken of 1844 was read differently by them, in light of events, so to speak, from how it was received in the West. It is in the “Winter’s Tale”, above all, however, where current significance was attributed, for example, to the anger over the double standard of state authority (“Ich weiß, sie tranken heimlich Wein, und predigten öffentlich Wasser” [I know they drank wine in secret, while publicly preaching water]), or the “old song of renunciation” (originally “from heaven” [alte Entsagungslied … vom Himmel]) with which the people were “lulled to sleep” (eingelullt). With Heine, one could criticise the conditions in the GDR without having to explain oneself – indirectly, of course, but with relish.

 

From 1848 onwards, Heine was plagued by serious illnesses, and he spent the following eight years almost completely paralysed in exile in his Parisian “mattress tomb” (Matratzengruft). He died there, literarily productive up until his last day, in the presence of his wife, Mathilde, on 17th February 1857.

Written works

  • Heinrich Heine – Historisch-kritische Gesamtausgabe seiner Werke, hg. von Manfred Windfuhr, 16 Bde., Hamburg 1973-1997.

  • Heinrich Heine-Säkularausgabe. Werke, Briefe, Lebenszeugnisse, hg. von Nationale Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Deutschen Literatur Weimar/Centre National de la Recherche Paris, 53 Bde., Berlin 1970ff.

References (selection)

  • Galley, Eberhard: Heine, Christian Johann Heinrich, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8, Stuttgart 1969, S. 286-291.
  • Grab, Walter: Heinrich Heine als politischer Dichter, Frankfurt/Main 1992.
  • Hauschild, Jan-Christoph/Michael Werner: Der Zweck des Lebens ist das Leben selbst. Heinrich Heine – eine Biographie, erw. Neuausg. Frankfurt/Main 2005.
  • Koopmann, Helmut: Das Junge Deutschland –Analyse seines Selbstverständnisses, Stuttgart 1970. 

 

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