Humboldt-Universität zu Berlin

Dietrich Bonhoeffer

Theologe – Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus

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Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer.
Foto: bpk / Rotraut Forberg

Dietrich Bonhoeffer, der Evangelische Theologie an der Berliner Universität studierte und dort als Assistent und Dozent tätig war, ist einer der bekanntesten deutschen Theologen. Seinen Widerstand gegen das NS-Regime bezahlte er mit dem Leben.

Dietrich Bonhoeffer wuchs mit sieben Geschwistern in einer großbürgerlichen Familie in Breslau auf. Der Vater, Karl Bonhoeffer, war Psychiater und Neurologe, seine Mutter Paula Lehrerin. 1912 zog die Familie nach Berlin, weil der Vater einen Ruf an die Friedrich-Wilhelms-Universität erhalten hatte.

Werdegang

Schon während der Schulzeit auf dem Grunewald-Gymnasium, wo er mit Hans von Dohnanyi Freundschaft schloss, beschäftigte er sich mit evangelischer Theologie. Zunächst studierte er in Tübingen und wechselte 1924 an die Berliner Universität, wo er sich insbesondere mit dem Theologen Adolf Harnack auseinandersetzte. Auch mit Karl Barth und dessen Dialektischer Theologie war Bonhoeffer eng verbunden. 1927 promovierte er bei Reinhold Seeberg mit einer Dissertation über die Gemeinschaft der Heiligen, drei Jahre später habilitierte er sich mit einer Schrift über „Akt und Sein“ in der systematischen Theologie.

Noch zu jung für die Ordination ging Bonhoeffer für ein Jahr nach New York und erlernte in den Gemeinden Harlems pastorale Praxis. Zurückgekehrt nach Berlin, lehrte er als Assistent Wilhelm Lütgerts an der Berliner Universität systematische Theologie und scheute sich nicht, in seinen Vorlesungen und Seminar klar gegen den erstarkenden Nationalsozialismus Stellung zu beziehen. Im November 1931 wurde er in der St-Matthäus-Gemeinde in Berlin-Tiergarten zum Pfarrer ordiniert. Zugleich übernahm er das Amt eines Internationalen Jugendsekretärs des ökumenischen Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen.

Gründung des Pfarrernotbundes

Während eine Großzahl der protestantischen Christen in Deutschland nach 1933 das NS-Regime unterstützte und evangelische Kirchen sogar den sogenannten „Arierparagraphen“ übernahmen, mit dem Pfarrer und Mitarbeiter:innen, die nach NS-Kriterien als „nichtarisch“ galten, ausgeschlossen wurden, wandte sich Bonhoeffer scharf gegen diese Praxis und gründete mit Martin Niemöller einen Pfarrernotbund, aus dem heraus die Bekennende Kirche entstand.

Angesichts der Verhältnisse in Deutschland nahm Bonhoeffer im Juli 1933 eine Auslandspfarrstelle an und versuchte auf internationalen Treffen der protestantischen Kirchen für die deutsche Kirchenopposition zu werben. 1935 kehrte er nach Deutschland zurück und bildete für die Bekennende Kirche angehende Pastoren in einem Predigerseminar in Finkenwalde bei Stettin aus, das 1937 vom NS-Staat geschlossen wurde. Offiziell als Hilfsprediger angestellt, war Bonhoeffer weiter in der Ausbildung tätig. Für ihn hieß Kirche nicht allein Gemeinschaft und Verkündigung, sondern lebendige Nachfolge Christi, unbeirrbar von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen.

Kontakte zum Widerstand

Über seinen Schwager Hans von Dohnanyi, der Bonhoeffers Schwester Christine heiratete, erhielt er Kontakte zur Widerstandsgruppe um Hans Oster, Mitarbeiter im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht unter Wilhelm Canaris. Seine Auslandskontakte nach Großbritannien und in die USA sollte Bonhoeffer nutzen, um Verbindungen zwischen den Westalliierten und dem deutschen Widerstand herzustellen, was allerdings an der Skepsis auf britischer wie amerikanischer Seite scheiterte. Wegen seiner Predigten und Schriften verhängte das NS-Regime 1940 ein Rede-, ein Jahr später darüber hinaus ein Schreibverbot.

Hinrichtung

Im Januar 1943 verlobte sich Bonhoeffer mit Maria von Wedemeyer, Tochter eines neumärkischen Grundbesitzers und Enkelin einer Gönnerin Bonhoeffers. Drei Monate später wurde er ebenso wie Hans von Dohnanyi von der Gestapo verhaftet. Der geplante Prozess verzögerte sich, bis im Zuge der Ermittlungen des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) nach dem Stauffenberg-Attentat im Juli 1944 belastende Dokumente gegen Canaris und Oster, damit ebenfalls gegen Hans von Dohnanyi und Dietrich Bonhoeffer gefunden wurden. Bonhoeffer wurde im Hausgefängnis des RSHA in der Prinz-Albrecht-Straße 8 in Berlin festgehalten, im Februar 1945 zunächst nach Buchenwald, dann Anfang April ins KZ Flossenbürg gebracht.

Hitler selbst ordnete die Hinrichtung der Männer an. Im Auftrag von RSHA-Chef Ernst Kaltenbrunner fuhr Walther Huppenkothen, studierter Jurist und SS-Standartenführer im Reichssicherheitshauptamt, zunächst ins KZ Sachsenhausen, um die Hinrichtung von Hans von Dohnanyi exekutieren zu lassen, dann weiter nach Flossenbürg. Am 8. April trat ein SS-Standgericht zusammen und beschloss die Ermordung von Canaris, Oster, Bonhoeffer und zwei weiteren Männern. Am nächsten Tag wurden sie in Anwesenheit Huppenkothens erhängt.

Walther Huppenkothen, nach dem Krieg wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, erwirkte ein Urteil des Bundesgerichtshofes 1956, das das Standgerichtsverfahren als rechtens anerkannte. Erst 2002 sprach der damalige Präsident des Bundesgerichtshofes Günter Hirsch aus Anlass einer Rede zum 100. Geburtstag von Hans von Dohnanyi aus, dass man sich für dieses Urteil des Bundesgerichtshofes schämen müsse. Walther Huppenkothen lebte bis zu seinem Tod 1978 unbehelligt als Wirtschaftsjurist in der Bundesrepublik.

Heute wird Dietrich Bonhoeffer in der Evangelischen Kirche hochgeachtet; Seminare, Schulen, Kirchenhäuser sind nach ihm benannt; seine gesammelten Schriften sind ediert; die Briefe aus der Haft an seine Verlobte werden immer wieder aufgelegt. Wohl kaum ein anderer deutscher Theologe ist in der Allgemeinheit so bekannt wie Dietrich Bonhoeffer, auch wenn seine Überzeugung von der Kirche als Leib Christi, die dessen Nachfolge antrete, bis heute keine selbstverständliche Haltung, sondern nach wie vor eine Herausforderung darstellt.

Schriften

  • Werke in 17 Bänden, hg. von Eberhard Bethge u. a., Sonderausgabe, Gütersloh 2015.
  • Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer – Maria von Wedemeyer, 1943–1945, hg. von Ruth-Alice von Bismarck/Ulrich Kalbitz, 7. Aufl. München 2016.

Literatur (in Auswahl)

  • Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer, überarbeitete Neuausgabe, Reinbek bei Hamburg 2016.
  • Schlingensiepen, Ferdinand: Dietrich Bonhoeffer 1906-1945. Eine Biographie, 3., durchges. Aufl. München 2017.
  • Huber, Wolfgang: Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit, München 2019.
  • Tietz, Christiane: Dietrich Bonhoeffer – Theologe im Widerstand, 2. durchges. Aufl. München 2019.

 

 


 

Dietrich Bonhoeffer

4th February 1906 (Breslau) – 9th April 1945 (Flossenbürg concentration camp)

 

Theologian – Resistance fighter against National Socialism

 

 

Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer.
Photo: bpk / Rotraut Forberg

Dietrich Bonhoeffer, who studied Protestant theology at the University of Berlin and worked there as an assistant and lecturer, is one of the best-known German theologians. He paid for his resistance against the Nazi regime with his life.

Dietrich Bonhoeffer grew up with seven siblings in an upper-class family in Breslau, modern Wrocław. His father, Karl Bonhoeffer, was a psychiatrist and neurologist, and his mother, Paula, was a teacher. In 1912, the family moved to Berlin because their father had been offered a professorship at the Friedrich-Wilhelms-Universität.

 

 

 

 

 

Career

He devoted himself to Protestant theology as early as during his school days at the Grunewald Gymnasium, where he became friends with Hans von Dohnanyi. He first studied in Tübingen and then, in 1924, moved to the University of Berlin, where he sparred with the theologian Adolf Harnack in particular. Bonhoeffer was also closely associated with Karl Barth and his dialectical theology. In 1927, he received his doctorate under Reinhold Seeberg with a thesis on “The Communion of Saints”, and, three years later, he qualified as a professor with a paper on “Act and Being” in systematic theology.

Still too young for ordination, Bonhoeffer went to New York for a year and learned pastoral practice in the congregations of Harlem. Returning to Berlin, he taught systematic theology as an assistant to Wilhelm Lütgert at the University of Berlin and was not afraid to take a clear stand in his lectures and seminars against National Socialism, which was gaining in strength. In November 1931, he was ordained in the St Matthew parish in Berlin-Tiergarten. At the same time, he took over the position of International Youth Secretary of the World Alliance for International Friendship Through the Churches.

Foundation of the Pastor's Emergency League

While a large number of Protestant Christians in Germany supported the Nazi regime after 1933, and Protestant churches even adopted the so-called “Aryan paragraph”, which excluded pastors and employees who were considered “non-Aryan” based on Nazi criteria, Bonhoeffer vehemently opposed this practice and founded a Pastor’s Emergency League with Martin Niemöller, from which the Confessing Church emerged.

In view of the conditions in Germany, Bonhoeffer accepted a pastoral position abroad in July 1933 and tried to enlist support for opposition from the German church at international meetings of the Protestant churches. In 1935, he returned to Germany and trained future pastors for the Confessing Church in a seminary in Finkenwalde near Stettin, which was closed by the Nazi state in 1937. Officially employed as an assistant preacher, Bonhoeffer continued to work in training. For him, the Church represented not only a means of communion and proclamation, but also the living imitation of Christ, unswayed by political and social conditions.

Contacts to the resistance

Through his brother-in-law Hans von Dohnanyi, who had married Bonhoeffer’s sister Christine, he made contact with the resistance group led by Hans Oster, a member of the Foreign Office/Defence of the High Command of the Armed Forces under Wilhelm Canaris. Bonhoeffer intended to use his foreign contacts to Great Britain and the USA to establish links between the Western Allies and the German resistance, but this failed due to scepticism on the sides of the British and the Americans. Due to his sermons and writings, the Nazi regime imposed a speech ban on him in 1940 and, a year later, a ban on publication.

Execution

In January 1943, Bonhoeffer became engaged to Maria von Wedemeyer, daughter of a landowner from Neumark and granddaughter of a patroness of Bonhoeffer’s. Three months later, like Hans von Dohnanyi, he was arrested by the Gestapo. The planned trial was delayed until, in the course of the investigations by the Reich Security Main Office (RSHA), after the Stauffenberg assassination in July 1944, documents were found incriminating Canaris and Oster, and thus also Hans von Dohnanyi and Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer was detained in the RSHA “house prison” at Prinz-Albrecht-Straße 8 in Berlin. He was first taken to Buchenwald in February 1945 and then to the Flossenbürg concentration camp at the beginning of April.

Hitler himself ordered the execution of the men. On behalf of the head of the RSHA, Ernst Kaltenbrunner, Walther Huppenkothen, a trained lawyer and SS-Standartenführer (colonel of the SS) in the Reich Security Main Office, first went to Sachsenhausen concentration camp to have the execution of Hans von Dohnanyi enacted, then on to Flossenbürg. On 8th April, an SS drumhead court-martial convened and decided to assassinate Canaris, Oster, Bonhoeffer and two other men. The next day, they were hanged in Huppenkoten’s presence.

Walther Huppenkothen, accused of complicity in murder after the war, obtained a judgment from the Federal Court of Justice in 1956 that recognised the proceedings of the drumhead court-martial as legal. It was not until 2002 that the then President of the Federal Court of Justice, Günter Hirsch, giving a speech to mark Hans von Dohnanyi’s 100th birthday, stated that one ought to be ashamed of this judgment by the Federal Court of Justice. Walther Huppenkothen lived undisturbed in the Federal Republic of Germany as a business lawyer up until his death in 1978.

Today, Dietrich Bonhoeffer is highly respected in the Evangelical Church; seminars, schools and churches are named after him; editions of his collected writings are published; the letters he wrote to his fiancée from confinement are printed repeatedly. Hardly any other German theologian is as well known among the general public as Dietrich Bonhoeffer, even if his conviction of the Church as the Body of Christ, which follows in his imitation, is still, to this day, a challenge and not a position that can be taken for granted.

Written works

  • Werke (works) in 17 volumes, edited by Eberhard Bethge et al., special edition, Gütersloh 2015.
  • Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer – Maria von Wedemeyer, 1943–1945, edited by Ruth-Alice von Bismarck/Ulrich Kalbitz, 7th edition, Munich 2016 [English: Love Letters from Cell 92. Dietrich Bonhoeffer, Maria von Wedemeyer 1943–1945, London 1994].

References (selection)

  • Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer, revised new edition, Reinbek bei Hamburg 2016.

  • Schlingensiepen, Ferdinand: Dietrich Bonhoeffer 1906–1945. Eine Biographie, 3rd, revised edition, Munich 2017.

  • Huber, Wolfgang: Dietrich Bonhoeffer. Auf dem Weg zur Freiheit, Munich 2019.
  • Tietz, Christiane: Dietrich Bonhoeffer – Theologe im Widerstand, 2nd, revised edition, Munich 2019.

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