Humboldt-Universität zu Berlin

Günther Tembrock

Verhaltensforscher – Begründer der Bioakustik – Autor populärer Fernsehsendungen

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Alternativtext   

Günter Tembrock, Foto: Heike Zappe / HU

 

Günter Tembrock wurde 1918 in Berlin als Sohn eines Lehrers geboren und machte 1937 sein Abitur an einem Reform-Realgymnasium. Mit der Immatrikulation zum Studium der Zoologie, Paläontologie und Anthropologie begann 1937 sein Leben in und mit der Universität zu Berlin. 1941, im Jahre seiner Promotion, wurde er Hilfsassistent am Zoologischen Institut, gründete dort 1945, noch vor der Wiedereröffnung der Universität, den Arbeitskreis „Mensch und Natur“, und war schon vor seiner Habilitation und seiner Berufung zum Dozenten, 1955, lehrend und forschend innovativ tätig.

Als einer der ersten deutschen Naturwissenschaftler legte er Arbeiten zur Verhaltensbiologie / Ethologie vor und gründete 1948 die Forschungsstätte für Tierpsychologie an der Universität. Seit 1952 bereits mit Leitungsfunktionen im Institut für Zoologie betraut, wurde er 1961 zum Professor berufen und leitete von 1968 bis 1983 den Bereich Verhaltenswissenschaften der Sektion Biologie der Humboldt-Universität. Neben zahlreichen Ehrendoktoraten dokumentieren seine Zuwahl in die Leopoldina, 1965, und in die Akademie der Wissenschaften, nach 1975 als korrespondierendes, 1990 als ordentliches Mitglied seine Anerkennung in der scientific community und seine prominente Stellung in der Öffentlichkeit, in der er auch mit Fernsehsendungen – u.a.: „Rendezvous mit Tieren“ – und populärwissenschaftlichen Büchern präsent war.

Werdegang

Günter Tembrock wurde am 7. Juni 1918 in Berlin geboren und starb ebenda am 26. Januar 2011. Dabei war mit dem von ihm gewählten, ja für das deutsche Wissenschaftssystem erst entdeckten Forschungsgebiet der Verhaltenspsychologie eine Karriere im akademischen System und in der Forschung der DDR keineswegs selbstverständlich. Gegen die noch in den 1950er Jahren dominierenden, aus der Sowjetunion protegierten Theorien, u.a. der Psychologie von Pawlow und der Lyssenko-Thesen der von Umwelteinflüssen abhängigen Eigenschaften in der Genetik, musste Tembrock die spezifisch ethologische Fragestellung, die ja auch die Annahme genetisch fixierter Merkmale einschloss, auch gegen Behinderungen bei seinen Forschungen und Publikationen überhaupt erst durchsetzen. Nicht zufällig fand er deshalb erst Ende der 1950er Jahre die Anerkennung, die er bis heute international als Pionier der Verhaltensbiologie gewonnen hat.

Zu den besonderen Leistungen, die er mit und für seine Forschungen erbracht hat, gehört auch die Einrichtung des Tierstimmenarchivs an der Universität, das sich mit mehr als 100.000 Aufnahmen von Hunderten Tierarten (jetzt im Museum für Naturkunde) rasch zur größten Einrichtung dieser Art in Europa entwickelte, und das auch seine Forschungen zur Bioakustik, die er als Forschungsthema mit erfunden und bezeichnet hat, inspirierte und möglich machte. Im Bereich der Verhaltensforschung legte er 1942 seine Dissertation „Versuche der Darstellung der Verbreitungs- und Stammesgeschichte des Carabus“ (eines Laufkäfers) vor, ließ 1949 Studien über „Grundlagen der Schimpansenpsychologie“ folgen und in seiner Habilitation 1955 die Ergebnisse von Forschungen „Über das Verhalten von Rotfüchsen“. Er blieb forschend und publizierend aktiv bis ins hohe Alter, auch mit soziobiologischen Fragestellungen und – 2000 erschienen – einer Studie über „Angst“, die er als „Naturgeschichte eines psychobiologischen Phänomens“ analysierte.

Akademischer Pionier

Zur Rolle des akademischen Pioniers und Anregers gehört, dass Tembrock zusammen mit dem Philosophen Karl-Friedrich Wessel, dem Entwicklungspsychologen Hans-Dieter Schmidt und dem Mediziner und Endokrinologen Günter Dörner an der HU das interdisziplinäre Forschungsvorhaben „Bio-Psycho-Soziale Einheit Mensch“ begründete. Zu DDR-Zeiten u.a. gegen die disziplinäre Verengung in den Humanwissenschaften generell, in der Pädagogik und der Bildungspolitik im Speziellen gerichtet, entstanden im Umfeld dieser theoretischen Anregungen schon vor 1990 exemplarische empirische Forschungen, die seither eine Gemeinschaft von Forschern vereinten, die unter dem Titel der „Humanontogenetik“ in Philosophie und Soziologie, Medizin und Psychologie, Pflege- und Sportwissenschaften sowie in der Pädagogik die interdisziplinäre Forschung über den Menschen vorantreiben, wesentlich von Günter Tembrock unterstützt und forciert.

Seine über den Rahmen von Universität und Wissenschaft hinausreichende Bekanntheit, ja seinen öffentlichen Ruhm verdankte Tembrock aber wohl seinem Engagement als Kommunikator zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Er war in seiner eigenen Tiersendung präsent, auch mit Gastrollen in der Talk-Show „Das Professorenkollegium tagt“ und mit Vorträgen in der Urania, dem klassischen Ort der Kommunikation von Wissenschaft und Gesellschaft.

Schriften (in Auswahl)

  • Tierpsychologie, Wittenberg 1956.
  • Tierstimmenforschung. Eine Einführung in die Bioakustik, Magdeburg 1977.
  • Verhaltensbiologie unter besonderer Berücksichtigung der Physiologie des Verhaltens, Stuttgart 1978.
  • Verhaltensbiologie, Berlin (Ost) 1987, 2., überarb. Neuaufl. Jena 1992.
  • Angst, Darmstadt 2000.

Literatur (in Auswahl)

  • Wallschläger, Dieter/Matthias Freude/Dieter Köhler (Hg.): Verhaltensbiologie und Naturschutz. Festschrift zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Günter Tembrock, Potsdam 1998.
  • Kirsch, Rainer: Der Verhaltensforscher Professor Tembrock, in: Kopien nach Originalen: 3 Porträts & 1 Reportage, Leipzig 1981, S. 53-78.
  • Wessel, Karl-Friedrich/Frank Naumann (Hg.): Verhalten, Informationswechsel und organismische Evolution – Zu Person und Wirken Günter Tembrocks, Bielefeld 1994.
  • Wessel, Andreas (Hg.): „Ohne Bekenntnis keine Erkenntnis!“ Günter Tembrock zu Ehren, Bielefeld 2008.

 

 

 


 

Günter Tembrock

7th June 1918 (Berlin) – 26th January 2011 (Berlin)

 

Behavioural researcher – Founder of bioacoustics – Creator of popular TV shows

     

Alternativtext   

Günter Tembrock, Photo: Heike Zappe / HU

 

Günter Tembrock was born in Berlin in 1918, the son of a teacher, and attained his general higher education entrance qualification at a Reform Realgymnasium (a secondary school emphasising science, mathematics and modern languages) in 1937. His life at and with the University of Berlin began in 1937, when he enrolled to study zoology, palaeontology and anthropology. In 1941, the year he attained his doctorate, he became a research assistant at the Zoological Institute; he founded the working group “Man and Nature” there in 1945 – before the university had yet reopened – and was already teaching and researching innovatively before his habilitation and his appointment as a lecturer in 1955.

He was one of the first German scientists to submit papers on behavioural biology/ethology and, in 1948, he founded the Research Centre for Animal Psychology (Forschungsstätte für Tierpsychologie) at the university. Having already been entrusted with leadership roles within the Zoological Institute since 1952, he was appointed professor in 1961, and, from 1968 to 1983, led the division for Behavioural Sciences within the Biology Department of the Humboldt-Universität. In addition to numerous honorary doctorates, his election to the Leopoldina, in 1965, as well as to the Academy of Sciences (Akademie der Wissenschaften), first as a corresponding member after 1975, then as a full member in 1990, are testament to the recognition he attained within the scientific community and his prominent standing in the public sphere, where he also had a presence in television programmes – including Rendezvous mit Tieren (Rendezvous with animals) – and popular science books.

Career

Yet, for his chosen field of research in behavioural psychology, which, for the German scientific system, had, of course, only just been discovered, a career within the academic system and research in the GDR was by no means a matter of course. Against the theories that still dominated in the 1950s and which were promoted by the Soviet Union, including the psychology of Pavlov and Lysenko’s theses of genetic properties being dependent on environmental influences, Tembrock had to first assert a question that was intrinsically ethological, and which also, of course, implied the assumption of genetically fixed characteristics – and he had to do so even against obstructions to his research and publications. It is no coincidence that it was only at the end of the 1950s that he attained the recognition he has since enjoyed, internationally, as a pioneer of behavioural biology.

One of the special achievements he attained with and for his research was the establishment of the Animal Sound Archive at the university, which, with more than 100,000 recordings of hundreds of animal species (now in the Museum für Naturkunde), quickly developed into the largest institution of its kind in Europe and also inspired and made possible his research on bioacoustics, a research topic he co-invented and described. He submitted his thesis “Versuche der Darstellung der Verbreitungs- und Stammesgeschichte des Carabus” (Attempts to present the distribution and phylogenetic history of the Carabus) in the field of behavioural research in 1942, which was followed by studies on “Fundamentals of chimpanzee psychology” (Grundlagen der Schimpansenpsychologie) in 1949 and, in his postdoctoral thesis of 1955, the results of research “On the behaviour of red foxes” (“Über das Verhalten von Rotfüchsen”). He remained active in research and publishing into old age, including with the investigation of socio-biological questions and a study – published in 2000 – on “Fear” (Angst), which he analysed as the “natural history of a psychobiological phenomenon”.

 

Academic pioneer

Part of Tembrock’s role as an academic pioneer and provider of stimulating ideas included the fact that, together with the philosopher Karl-Friedrich Wessel, the developmental psychologist Hans-Dieter Schmidt and the physician and endocrinologist Günter Dörner, he founded the interdisciplinary research project “Bio-Psycho-Social Entity Man” at the HU. Even before 1990, during the GDR period, when, among other things, there was disciplinary restriction to combat in the human sciences in general, and in educational science and policy, in particular, exemplary empirical research was developed in the context of these theoretical proposals that has since united a community of researchers. Under the banner of “Humanontogenetics”, they advance interdisciplinary research on humans within the fields of philosophy and sociology, medicine and psychology, nursing and sports sciences, and educational theory, crucially supported and expedited by Günter Tembrock.

However, Tembrock’s fame beyond the confines of the university and academia – his public celebrity – was owed to his commitment as a communicator between the world of science and the public. He could be seen in his own animal show, as well as during his guest roles in the talk show Das Professorenkollegium tagt, and at lectures at the Urania, the classic location for communication between science and society.

Written works (selection

  • Tierpsychologie, Wittenberg 1956.
  • Tierstimmenforschung. Eine Einführung in die Bioakustik, Magdeburg 1977.
  • Verhaltensbiologie unter besonderer Berücksichtigung der Physiologie des Verhaltens, Stuttgart 1978.
  • Verhaltensbiologie, Berlin (Ost) 1987, 2., überarb. Neuaufl. Jena 1992.
  • Angst, Darmstadt 2000.

References (selection)

  • Wallschläger, Dieter/Matthias Freude/Dieter Köhler (Hg.): Verhaltensbiologie und Naturschutz. Festschrift zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Günter Tembrock, Potsdam 1998.
  • Kirsch, Rainer: Der Verhaltensforscher Professor Tembrock, in: Kopien nach Originalen: 3 Porträts & 1 Reportage, Leipzig 1981, S. 53-78.
  • Wessel, Karl-Friedrich/Frank Naumann (Hg.): Verhalten, Informationswechsel und organismische Evolution – Zu Person und Wirken Günter Tembrocks, Bielefeld 1994.
  • Wessel, Andreas (Hg.): „Ohne Bekenntnis keine Erkenntnis!“ Günter Tembrock zu Ehren, Bielefeld 2008.

 

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