Humboldt-Universität zu Berlin

Hermann von Helmholtz

Physiologe – Physiker – Gründungsdirektor der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt

 

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Alternativtext

Bildnis des Physikers Hermann von
Helmholtz / bpk / Nationalgalerie,
SMB / Klaus Göken

Hermann von Helmholtz wurde bereits in seiner Zeit als ein „Universalgenie“ bezeichnet, was sich vor allem vonseinen breit gefächerten Forschungsgebieten wie Optik, Akustik, Elektrodynamik und Thermodynamik herleiten lässt, die er gleichermaßen beherrschte und mit neuen Erkenntnissen erweiterte.

Auch wenn die Bezeichnung heute antiquiert erscheint, so muss doch festgehalten werden, dass Helmholtz in der Tat einer der wichtigsten Forscher des 19. Jahrhunderts war, der die aufsteigenden Naturwissenschaften in ihrer ganzen Breite zu repräsentieren wusste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Werdegang

Hermann von Helmholtz wuchs in einem bescheidenen Haushalt auf, von seinem Vater ist bekannt, dass er Gymnasiallehrer war. Um seinen naturwissenschaftlichen Neigungen nachzugehen, blieb Helmholtz zunächst nur der Weg über eine militärärztliche Ausbildung am Königlichen Medizinisch-Chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin. Mit 22 Jahren wurde er Militärarzt in Potsdam und erhielt 1848 seine erste feste akademische Position als Lehrer der Anatomie an der Berliner Akademie der Künste.

1849 wurde er außerordentlicher Professor und Leiter des Instituts für Physiologie an der Universität Königsberg, wenig später ordentlicher Professor. 1855 wechselte Helmholtz auf eine Professur für Anatomie und Physiologie an der (damals preußischen) Universität in Bonn, 1858 folgte er einem Ruf als Professor für Physiologie an die Universität Heidelberg. In diesen Jahren widmete er sich intensiv seinen physiologischen Forschungen, jedoch weiteten sich seine Interessen zunehmend in die Physik. So wurde Helmholtz 1871 auf den Lehrstuhl für Physik an der Berliner Universität berufen und übernahm schließlich 1888 die Leitung der neu gegründeten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin.

„Über die Erhaltung der Kraft.

Eine physikalische Abhandlung“

Zu seinen ersten wichtigen Schriften zählte der 1847 erschienene und berühmte Vortrag „Über die Erhaltung der Kraft. Eine physikalische Abhandlung“. In ihm beschreibt Helmholtz das Prinzip der Energieerhaltung, indem er erstmals für die verschiedenen Bereiche der Physik wie der Naturforschung insgesamt einen einheitlichen Begriff der Energie bestimmte und den Satz von der Erhaltung der „lebendigen Kraft“ entwickelte: Alle physikalischen Vorgänge sind auf entfernungsunabhängige, zentrale Kräfte zwischen Massenpunkten zurückzuführen.

Diese Vorstellung geht von zwei zentralen „Abstractionen“ aus, die der Wissenschaft die Gegenstände der Außenwelt verständlich machen: der Materie und der Kraft. Materie, so Helmholtz, kann überhaupt nur durch ihre Wirkungen, durch ihre Kräfte (Mechanik, Magnetismus, Wärme- und Lichteinwirkung) wahrgenommen werden. Solche zentralen Gesetze sind es, die aufzufinden die Aufgabe der Wissenschaften sei. Es gehe darum, die „letzten unveränderlichen Ursachen der Vorgänge in der Natur aufzufinden.“

Damit widersprach Helmholtz einerseits den Vitalisten der Zeit, die immer noch eine Lebenskraft als Grundkraft aller Lebewesen annahmen (eine Vorstellung von der sich auch sein Lehrer Johannes Müller noch nicht gelöst hatte). Andererseits beschrieb Helmholtz so, was den Siegeszug der Naturwissenschaften im Laufe des 19. Jahrhunderts ausmachte: Es handelte sich um eine zunehmende Ausdifferenzierung in einzelne Disziplinen wie Mathematik, die Lebenswissenschaften, Chemie etc., die als Gesetzeswissenschaften bezeichnet wurden und aus einem Wechselspiel von empirischen Beobachtungen / Experimenten und theoretischen Annahmen bestanden.

Die Physik galt dabei als Königswissenschaft, die zu betreiben Helmholtz mit Antritt der Berliner Professur endgültig gelang. 1878 wurde das Physikalische Institut an der Berliner Universität eröffnet, ein eigener Bau mit Laboren und Lehrräumen, der auch den Anspruch der nun selbstbewussten Disziplin repräsentierte. Dass Helmholtz zudem an den Gründungsvorbereitungen einer weiteren, berühmten physikalischen Institution beteiligt war (und schließlich zum Direktor ernannt wurde), soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er darüber hinaus mit seinen sinnesphysiologischen Arbeiten Berühmtheit erlangte und so auch in  einem weiteren naturwissenschaftlichen Fachgebiet, der Physiologie (heute würde man von Lebenswissenschaften sprechen), entscheidende Entdeckungen machte.

Interdisziplinäre Forschung

So wie einer der berühmtesten Physiologen und Mediziner der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Emil Du Bois-Reymond, mit dem er eng befreundet und der ebenfalls an der Berliner Universität tätig war, hatte auch Helmholtz bei dem Physiologen und Zoologen Johannes Müller in Berlin studiert. Während Du Bois-Reymond sich der experimentellen Elektrophysiologie widmete, konzentrierte sich Helmholtz auf die Wahrnehmungsphysiologie, etwa auf den Aufbau des Auges und die Farbwahrnehmung, und entwickelte im Zuge seiner Experimente den Augenspiegel, mit dem sich erstmals der Augenhintergrund betrachten ließ. Aber auch die Klangfarbe von musikalischen Instrumenten oder die Empfindung von musikalischen Harmonien bearbeitete Helmholtz und es war eines seiner zentralen Anliegen in seinem Buch „Lehre von den Tonempfindungen“, die „physikalische und physiologische Akustik“ und die „Musikwissenschaft und Ästhetik“ miteinander zu verbinden und gleichermaßen über deren zugrundeliegende Gesetze zu informieren.

So zeichnete es diesen Wissenschaftler aus, dass er sich neben den Naturwissenschaften für Philosophie, Kunst- und Musikwissenschaften interessierte, dass er – umfassend gebildet – die verschiedensten Disziplinen zusammenzuhalten suchte und genau darin das schöpferische Potenzial von Wissenschaft sah. Philosophie sollte sich ihm zufolge an der Erfahrung und dem „Faktum der Naturwissenschaften“ orientieren, und er argumentierte für eine erkenntnistheoretische Grundlegung der Naturwissenschaft. Dass Helmholtz, darüber hinaus auch sprachlich begabt, eindrucksvolle Vorträge hielt, die noch heute durch ihre Klarheit und Verständlichkeit bestechen, mag das Bild dieses wichtigen Physiologen und Physikers vervollständigen. Helmholtz starb mit 73 Jahren in Berlin.

Schriften (in Auswahl)

  • Über die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik, Königsberg 1854.
  • Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik, Braunschweig 1863.
  • Handbuch der physiologischen Optik, (3 Lieferungen) Leipzig 1865-67.
  • Wissenschaftliche Abhandlungen, 3 Bände, Leipzig 1882-95.
  • Vorträge und Reden, 2 Bände, Braunschweig 1884.
  • Über die Erhaltung der Kraft, Leipzig 1889.
  • Vorlesungen über theoretische Physik, 6 Bände, Leipzig 1897-1907.
  • Die Tatsachen in der Wahrnehmung / Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet, unveränd. fotomechan. Nachdr. Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt 1959
  • Philosophische und populärwissenschaftliche Schriften, hg. von Michael Heidelberger, Helmut Pulte und Gregor Schiemann, 3 Bände, Hamburg 2017.

Literatur (in Auswahl)

  • Cahan, David: Helmholtz. A Life in Science, Chicago 2018.
  • Hiebert, Erwin: The Helmholtz Legacy in Physiological Acoustics, Cham et al. 2014.
  • Krüger, Lorenz (Hrsg.): Universalgenie Helmholtz. Rückblick nach 100 Jahren, Berlin 1994.
  • Schiemann, Gregor: Wahrheitsgewißheitsverlust. Hermann von Helmholtz’ Mechanismus im Anbruch der Moderne. Eine Studie zum Übergang von klassischer zu moderner Naturphilosophie, Darmstadt 1997.
  • Wise, Norton: Aesthetics, Industry and Science: Hermann von Helmholtz and the Berlin Physical Society, Chicago 2018.

 


Hermann von Helmholtz

31st August 1861 (Potsdam) – 8th September 1894 (Berlin)

 

Physiologist – Physicist – Founding Director of the Physikalisch-Technische Reichsanstalt [Imperial Institute of Physics and Technology]

 

Alternativtext

Figure of the Physicist Hermann von
Helmholtz / bpk / Nationalgalerie,
SMB / Klaus Göken

Already in his own day, Hermann von Helmholtz was called a “universal genius”, which one can put down, above all, to his wide-ranging fields of research, such as optics, acoustics, electrodynamics and thermodynamics, which he mastered in equal measure and expanded alike with new insights.

Even if the label appears antiquated today, it must, nevertheless, be noted that Helmholtz was, indeed, one of the most important researchers of the 19th century, who was able to represent the assurgent natural sciences across their entire breadth.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carrer path

Hermann von Helmholtz grew up in a modest household. His father is known to have been a secondary-school teacher at a Gymnasium. The only path that initially remained open to Helmholtz for pursuing his scientific inclinations was to train as an army doctor at the Royal Medical-Surgical Friedrich Wilhelm Institute in Berlin. At the age of 22, he became a military physician in Potsdam, and, in 1848, he received his first permanent academic position as a teacher of anatomy at the Berlin Akademie der Künste. In 1849, he became an extraordinary professor (professor without a chair) and head of the Department of Physiology at the University of Königsberg. In 1855, Helmholtz moved to the (then Prussian) University of Bonn as a professor of anatomy and physiology, and, in 1858, he was then appointed professor of physiology at the University of Heidelberg. During these years, he devoted himself intensively to his physiological research, though his interests increasingly expanded into physics. In 1871, Helmholtz was thus appointed to the chair of physics at the University of Berlin, and, in 1888, he ultimately took over the management of the newly founded Physikalisch-Technische Reichsanstalt [Imperial Institute of Physics and Technology] in Berlin.

„On the Conservation of Force. A physical treatise"

His first important written works included the 1847 lecture “Über die Erhaltung der Kraft. Eine physikalische Abhandlung” (“On the Conservation of Force: A Physical Memoir”). In it, Helmholtz describes the principle of energy conservation by, for the first time, determining a uniform concept of energy for the various areas of physics and the natural sciences as a whole and developing the theorem of the conservation of the “vital force”: all physical processes are attributable to distance-independent, central forces between material points. This idea is based on two central “abstractions” that enable science to understand the objects of the external world: matter and force. Matter, according to Helmholtz, can only be perceived by its effects, by its forces (mechanics, magnetism, the action of heat and light). It is such central laws, he thought, that it is the task of the sciences to discover. It is about finding the “ultimate immutable causes of what occurs in nature.”

On the one hand, Helmholtz thereby contradicted the vitalists of the time, who still postulated a vital force as the fundamental force of all living beings (an idea that his teacher Johannes Müller had also not abandoned). On the other hand, Helmholtz thus described what represented the triumph of the natural sciences over the course of the 19th century: it was about increasing differentiation into individual disciplines like mathematics, the life sciences, chemistry, etc., which were called the nomothetic sciences and consisted of a mixture of empirical observations/experiments and theoretical assumptions. Physics was regarded here as a master science, which Helmholtz finally succeeded in pursuing when he took up his professorship in Berlin. In 1878, the Physics Institute was opened at the University of Berlin, a separate building with laboratories and teaching rooms that also represented the aspirations of the now self-aware discipline. The fact that Helmholtz was also involved in the foundational preparations for another famous physics institution (and was eventually appointed its director) should not obscure the fact that he also gained fame for his works in sensory physiology, thus also making crucial discoveries in another field of natural sciences, physiology (today, one would speak of the life sciences).

Interdisciplinary research

Just like one of the most famous physiologists and physicians of the second half of the 19th century, Emil Du Bois-Reymond, of whom he was a close friend and who also worked at the University of Berlin, Helmholtz had also studied with the physiologist and zoologist Johannes Müller in Berlin. While Du Bois-Reymond devoted himself to experimental electrophysiology, Helmholtz concentrated on the physiology of perception, such as the structure of the eye and the perception of colour, and, over the course of his experiments, developed the ophthalmoscope, which enabled the fundus of the eye to be viewed for the first time. However, Helmholtz also carried out work on the timbre of musical instruments and the perception of musical harmonies, and one of his central concerns in his book Lehre von den Tonempfindungen (On the Sensations of Tone) was to combine “physical and physiological acoustics” and “musicology and aesthetics” and, likewise, to provide information about their underlying laws.

This scientist was thus distinguished by the fact that, in addition to the natural sciences, he was interested in philosophy and the artistic and musical sciences, and that – with his comprehensive education – he sought to bind the most diverse disciplines and saw the creative potential of scholarship as existing precisely in this. In his view, philosophy should be guided by experience and by that which is a “fact of the natural sciences”, and he argued for an epistemological foundation of natural science. The fact that Helmholtz, being also linguistically gifted, gave impressive lectures that still, today, captivate with their clarity and comprehensibility may complete the picture of this important physiologist and physicist. Helmholtz died in Berlin at the age of 73.

Written works (selection)

  • Über die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik, Königsberg 1854.
  • Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik, Braunschweig 1863.
  • Handbuch der physiologischen Optik, (3 Lieferungen) Leipzig 1865-67.
  • Wissenschaftliche Abhandlungen, 3 Bände, Leipzig 1882-95.
  • Vorträge und Reden, 2 Bände, Braunschweig 1884.
  • Über die Erhaltung der Kraft, Leipzig 1889.
  • Vorlesungen über theoretische Physik, 6 Bände, Leipzig 1897-1907.
  • Die Tatsachen in der Wahrnehmung / Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet, unveränd. fotomechan. Nachdr. Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt 1959
  • Philosophische und populärwissenschaftliche Schriften, hg. von Michael Heidelberger, Helmut Pulte und Gregor Schiemann, 3 Bände, Hamburg 2017.

References (selection)

  • Cahan, David: Helmholtz. A Life in Science, Chicago 2018.
  • Hiebert, Erwin: The Helmholtz Legacy in Physiological Acoustics, Cham et al. 2014.
  • Krüger, Lorenz (Hrsg.): Universalgenie Helmholtz. Rückblick nach 100 Jahren, Berlin 1994.
  • Schiemann, Gregor: Wahrheitsgewißheitsverlust. Hermann von Helmholtz’ Mechanismus im Anbruch der Moderne. Eine Studie zum Übergang von klassischer zu moderner Naturphilosophie, Darmstadt 1997.
  • Wise, Norton: Aesthetics, Industry and Science: Hermann von Helmholtz and the Berlin Physical Society, Chicago 2018.

 

 

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