Humboldt-Universität zu Berlin

Albrecht von Graefe

Begründer der Augenheilkunde – sozial engagierter Arzt

 

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Albrecht von Graefe

Friedrich Wilhelm Ernst
Albrecht von Graefe
ca. 1870 aufgenommen /
Charite - Universitätsmedizin
Berlin

Im Jahre 1868 hielt Albrecht von Graefe seine letzte Rede, anlässlich einer Tagung der von ihm gegründeten Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Diese ist die älteste augenärztliche Vereinigung der Welt. Bis dahin stellte die Augenheilkunde keine Fachdisziplin in sich dar, sondern war vielmehr ein Teil der Chirurgie. Als praktizierender Arzt und – wenn auch nur kurzzeitiger – Leiter der Augenklinik der Charité profilierte Graefe die moderne Ophthalmologie durch seine medizinischen Forschungen und durch die Entwicklung neuartiger Operationstechniken.

Friedrich Wilhelm Ernst Albert von Graefe wurde am 22. Mai 1828 in der Villa Finkenherd im Berliner Tiergarten geboren und hatte Prinz Albrecht von Preußen als Namensgeber, der ihn auch taufte. Als Sohn von Professor Karl von Graefe (1787-1840), Gründungsdirektor der chirurgischen Klinik an der Charité, und Auguste von Graefe, zu der er nach dem frühen Tod seines Vaters eine enge Beziehung hatte, wuchs Albrecht als viertes von fünf Kindern wohlbehütet auf.

 

 

 

 

Geprägt von namhaften Persönlichkeiten

Nach seinem Schulabschluss am Französischen Gymnasium stand für den Schüler fest, dass er Medizin studieren wollte. Schon während seines Studiums an der Berliner Universität zeigte er sich äußerst engagiert. Bekannte Persönlichkeiten anderer Disziplinen begegneten ihm teils im Studium und teils anlässlich seiner anschließenden zweijährigen Bildungsreise durch Europa. Namhafte Persönlichkeiten, wie der Physiologe du Bois-Reymond (1818-1896), der Chirurg Dieffenbach (1792-1847), der die erste Schieloperation ausführte, oder à Rudolf Virchow (1821-1902) sowie Ophthalmologen wie von Arlt aus Prag oder die britischen Augenärzte Critchett und Bowman prägten Graefes späteres wissenschaftliches wie auch praktisches Handeln, wie er es für die Begegnung mit dem Prager Ophthalmologen selbst bezeugt: „ohne Arlt würde ich vielleicht gar nicht als Ophthalmolog nach Berlin zurückgekehrt sein“.

Nach erfolgreichem Studium und Dissertation standen dem damals 23-jährigen sämtliche Pforten offen. Angefangen mit einer kleinen Praxis in der Behrenstraße, eröffnete Graefe am 1. November 1851 eine kleine Armenpraxis, die sich zu einer renommierten Privatklinik entwickelte. Im Eckhaus der Karlstraße 46, mit einer Bettenkapazität von ca. 140 Betten, genoss die Klinik internationale Beliebtheit. Jährlich wurden bis zu 7.500 Patienten behandelt.

 

Karriere und früher Tod

Im Jahre 1862 schloss Graefe die Ehe mit der dänischen Gräfin Anna von Knuth, aus welcher insgesamt 5 Kindern entstammten. Albrecht von Graefe litt ungefähr seit dem 30. Lebensjahr an der Tuberkulose. Rückkehrend von einer Kurim Jahre 1869 wurde er, durch die Emeritierung des damaligen Ordinarius von Jüngken, mit der Leitung der Augenklinik der Charité Berlin betraut. Seine Vorlesungen galten „als Erlebnis“.

Während von Graefes Karriere nun auf dem Höhepunkt stand, erwies sich die anschließende Zeit als sehr anstrengend und herausfordernd. Im Sommer 1869 verstarb seine Frau an einer schweren Pleuritis. Schon schwer durch seine eigene Krankheit gezeichnet, verabschiedete sich Graefe am 17. Juni 1870 von seiner Tätigkeit und verstarb viel zu früh im Alter von nur 42 Jahren am 20. Juli 1870.

Albrecht von Graefes Vermächtnis für die Augenheilkunde

Auch wenn der Universitätslehrstuhl somit nicht lange durch Graefe vertreten war, verdanken wir dieser Koryphäe vieles. Exemplarisch sind nur einige seiner Leistungen hervorgehoben:

  • Moderne Operationstechniken wie z.B. der kleine Einschnitt in die Iris (Iridektomie). Dies ist eine Methode, um den Augeninnendruck zu senken.
  • Wichtige Fortschritte und Erkenntnisse. Intensiv beschäftigte sich Albrecht von Graefe mit der Wissenschaft rund um die Augenmuskeln und ihrer Lähmungen. Im Jahre 1852 erhielt Grafe den Privatdozentenstatus mit seiner Habilitationsschrift „Symptomenlehre der Augenmuskellähmungen“.
  • Beschreibung, Exploration und Erforschung des Augenhintergrundes mittels des von à Helmholtz entwickeltenAugenspiegels. Albrecht von Graefe integrierte dieses Instrument aktiv in seinen klinischen Alltag.
  • Gründung wichtiger Institutionen. Hierzu gehört unter anderem die Gründung der DOG (Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft) sowie im Jahre 1854 die Gründung der ersten augenärztlichen Zeitschrift in Deutschland: „Archiv für Ophthalmologie“. Heute bekannt als „Albrecht von Graefes Archiv für klinische und experimentelle Ophthalmologie“.Graefe war erst 26 Jahre alt, als die erste Ausgabe erschien.  
  • Exzellente Lehre und Ausbildung. In seiner Privatklinik, wie auch später an der Universitätsklinik, nahmen jedes Jahr ungefähr 300 Ärzte und Studenten begeistert an den Lehrkursen von Graefe teil.

Der kranke Mensch stand im Mittelpunkt

Vor allem jedoch sollten Graefes moralische Werte und Verpflichtungen gegenüber seiner Berufung hervorgehoben werden. Graefe versorgte die „Stadtarmen“ weitgehend kostenlos. Zudem übernahm Graefe im Jahre 1857 und 1862 beide Armen-Augenarztstellen in Berlin und war somit offiziell für die gesamte Versorgung der unbemittelten Augenkranken in Berlin zuständig. Für Graefe stand ganz klar der kranke Mensch im Mittelpunkt, egal ob wohlhabend oder arm. 

An Graefe erinnert bis heute unter anderem eine Gedenkstele im Berliner Tiergarten aus dem Jahr 1970, ein Denkmal in der Luisenstraße aus dem Jahre 1882 sowie die Albrecht von Graefe Medaille, die als Auszeichnung für exzellente Lehre, Wissenschaft oder Forschung von der Berliner Medizinischen Gesellschaft vergeben wird.

„Nicht weil das Auge das edelste Organ ist, sondern weil es mir wegen seiner Klarheit und Durchsichtigkeit auf manche pathologischen und therapeutische Fragen die beste Antwort gibt.“ (Albrecht v. Graefe)

 

Schriften (in Auswahl)

  • Augenkrankheiten und ihre Behandlung. Vorlesungen, hg. von Julius Hirschberg, Leipzig 1925.
  • Albrecht von Graefe’s grundlegende Arbeiten über den Heilwert der Iridektomie bei Glaukom, hg. und eingel. von Karl Hubert Sattler, Leipzig 1911.
  • Die Briefe Albrecht von Graefes an F.C. Donders (1852-1870), hg. und mit Bemerkungen versehen von H.J.M. Weve/G. ten Doesschate, Stuttgart 1935.

 

Literatur (in Auswahl)

  • Rohrbach, Jens Martin: Zum 150. Todestag. Albrecht von Graefe (1828-1870). Das Gewissen der Augenheilkunde in Deutschland, Berlin/Heidelberg 2020.
  • Smith, Pete: Ophthalmologie. Albrecht von Graefe – Begründer der Augenheilkunde, in: Ärztezeitung, 14.07.2020.
  • Albrecht von Graefe – Berlin 1828-1870: Gedächtnisband zum Symposium anlässlich des 125jährigen Todesjahres, hg. von Christian Hartmann, Germering 1996. Graefe, Blida Heynold von
  • Albrecht von Graefe. Mensch und Umwelt, München 1970 (repr. 1991).

 

 


Albrecht von Graefe

22nd May 1828 (Berlin) – 20th July 1870 (Berlin)

 

Founder of ophthalmology – Socially committed doctor

 

Friedrich Wilhelm Ernst Albrecht von Graefe ca. 1870 aufgenommen / Charite - Universitätsmedizin BerlinAlbrecht von Graefe gave his last speech in 1868, at a conference of the German Ophthalmological Society (Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft [DOG]), which he founded. This is the oldest ophthalmological association in the world. Up until then, ophthalmology had not been a specialist discipline in itself, but rather a part of surgery. As a practising physician and – if only briefly – head of the eye clinic at the Charité, Graefe shaped modern ophthalmology through his medical research and the development of novel surgical techniques.

 

 

 

 

 

 

 

Characterized by notable personalities

Friedrich Wilhelm Ernst Albrecht von Graefe was born on 22nd May 1828 in Villa Finkenherd in Berlin’s Tiergarten and was named after Prince Albrecht of Prussia, who also baptised him. The son of Professor Karl von Graefe (1787–1840), founding director of the surgical clinic at the Charité, and Auguste von Graefe, with whom he had a close relationship following the early death of his father, Albrecht grew up sheltered and well looked after, the fourth of five children. After graduating from the Französisches Gymnasium, it was clear to the student that he wanted to study medicine.

He already showed great commitment during his studies at the University of Berlin. He met well-known figures from other disciplines, partly within the context of his studies and partly on the occasion of his subsequent two-year educational trip through Europe. Graefe’s later academic and practical activities were influenced by renowned figures, such as the physiologist du Bois-Reymond (1818–1896), the surgeon Dieffenbach (1792–1847), who performed the first squint operation, and  Rudolf Virchow (1821–1902), as well as ophthalmologists like von Arlt, from Prague, or the British ophthalmologists Critchett and Bowman, as Graefe himself attests with respect to his contact with the Prague ophthalmologist: “Without Arlt, I might not have returned to Berlin an ophthalmologist at all.”

After successfully completing his studies and dissertation, all doors were open to the then 23-year-old. Starting with a modest practice in Behrenstraße, Graefe opened a small practice for the poor on 1st November 1851, which developed into a renowned private clinic. In the corner building at Karlstraße 46, with a bed capacity of roughly 140 beds, the clinic enjoyed international popularity. Up to 7,500 patients were treated annually.

 

Career and early death

In 1862, Graefe married the Danish Countess Anna von Knuth, and they had a total of five children together. Albrecht von Graefe had been suffering from tuberculosis since roughly the age of 30. Returning from a cure (course of restorative treatment at a health resort) in 1869, he was entrusted with the management of the eye clinic at the Berlin Charité due to the retirement of the then chair, Jüngken. His lectures were considered to be “an experience”.

While von Graefe’s career was now at its peak, the period that followed proved to be very strenuous and challenging. In the summer of 1869, his wife died of severe pleurisy. Already heavily marked by his own illness, Graefe stepped away from his work on 17th June 1870 and died far too young, at just 42, on 20th July 1870.

Albrecht von Graefe's legacy for ophthalmology

 

Although Graefe therefore did not represent the university chair for long, we owe a lot to this luminary. Just a few of his achievements are highlighted here, by way of example:

  • Modern surgical techniques, such as the small incision into the iris (iridectomy). This is a method for lowering intraocular pressure.
  • Important advancements and insights. Albrecht von Graefe concerned himself intensively with the science pertaining to the eye muscles and their paralysis. In 1852, Graefe attained the status of a Privatdozent (university lecturer who has attained the authorisation to teach and is not a salaried staff member) with his habilitation thesis “Symptomenlehre der Augenmuskellparparmungen” (Symptomatology of eye muscle paralysis).
  • The description, exploration and investigation of the ocular fundus using the ophthalmoscope developed by  Helmholtz. Albrecht von Graefe actively integrated this instrument into his everyday clinical life.
  • The establishment of important institutions. Among other things, this includes founding the German Ophthalmological Society (DOG) and, in 1854, launching the first ophthalmological journal in Germany: Archiv für Ophthalmologie, known today as “Albrecht von Graefes Archiv für klinische und experimentelle Ophthalmologie” (Albrecht von Graefe’s archive for clinical and experimental ophthalmology). Graefe was just 26 years old when the first issue was published.
  • Excellent teaching and training. In his private clinic, as well as, later, at the university clinic, approximately 300 doctors and students participated enthusiastically in Graefe’s courses each year.

The sick person was the focus

Vor allem jedoch sollten Graefes moralische Werte und Verpflichtungen gegenüber seiner Berufung hervorgehoben werden. Graefe versorgte die „Stadtarmen“ weitgehend kostenlos. Zudem übernahm Graefe im Jahre 1857 und 1862 beide Armen-Augenarztstellen in Berlin und war somit offiziell für die gesamte Versorgung der unbemittelten Augenkranken in Berlin zuständig. Für Graefe stand ganz klar der kranke Mensch im Mittelpunkt, egal ob wohlhabend oder arm. 

An Graefe erinnert bis heute unter anderem eine Gedenkstele im Berliner Tiergarten aus dem Jahr 1970, ein Denkmal in der Luisenstraße aus dem Jahre 1882 sowie die Albrecht von Graefe Medaille, die als Auszeichnung für exzellente Lehre, Wissenschaft oder Forschung von der Berliner Medizinischen Gesellschaft vergeben wird.

„Nicht weil das Auge das edelste Organ ist, sondern weil es mir wegen seiner Klarheit und Durchsichtigkeit auf manche pathologischen und therapeutische Fragen die beste Antwort gibt.“ (Albrecht v. Graefe)

 

Written works (selection)

  • Augenkrankheiten und ihre Behandlung. Vorlesungen, hg. von Julius Hirschberg, Leipzig 1925.
  • Albrecht von Graefe’s grundlegende Arbeiten über den Heilwert der Iridektomie bei Glaukom, hg. und eingel. von Karl Hubert Sattler, Leipzig 1911.
  • Die Briefe Albrecht von Graefes an F.C. Donders (1852-1870), hg. und mit Bemerkungen versehen von H.J.M. Weve/G. ten Doesschate, Stuttgart 1935.

 

References (selection)

  • Rohrbach, Jens Martin: Zum 150. Todestag. Albrecht von Graefe (1828-1870). Das Gewissen der Augenheilkunde in Deutschland, Berlin/Heidelberg 2020.
  • Smith, Pete: Ophthalmologie. Albrecht von Graefe – Begründer der Augenheilkunde, in: Ärztezeitung, 14.07.2020.
  • Albrecht von Graefe – Berlin 1828-1870: Gedächtnisband zum Symposium anlässlich des 125jährigen Todesjahres, hg. von Christian Hartmann, Germering 1996. Graefe, Blida Heynold von
  • Albrecht von Graefe. Mensch und Umwelt, München 1970 (repr. 1991).

 

 


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