Humboldt-Universität zu Berlin

Adolf von Harnack

Protestantischer Theologe - Kirchenhistoriker - Wissenschaftsorganisator

 

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Adolf von Harnack

Adolf von Harnack, Foto: ullstein 

Adolf von Harnack war zuerst als Theologe und vor allem als Kirchen- und Dogmenhistoriker von weit ausstrahlender Bedeutung. Mit seinem entschieden kulturprotestantischen Standpunkt machte er die Berliner Universität zum Zentrum weltweiter theologischer Debatten und Kontroversen im ausgehenden 19., frühen 20. Jahrhundert.

Gleichzeitig war er wissenschaftspolitisch sehr aktiv, eng in das „System Althoff“, also die Modernisierung der Berliner Universität um 1900, eingebunden und u.a. wegen seiner engen Kontakte zu Wilhelm II. 1911 bei der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, auch höchst folgenreich tätig, in der Frühphase der Weimarer Republik auch als Berater des Preußischen Kultusministeriums.

 

 

 

 

 

 

Werdegang

Karl Gustav Adolf Harnack, seit 1914 von Harnack, als zweites von vier Kindern eines protestantischen Theologen in Dorpat im  Estland geboren, studierte nach dem Abitur 1868 Evangelische Theologie, zuerst in Dorpat, seit 1872 in Leipzig, wo er 1873 promoviert wurde, sich 1874 habilitierte und bereits 1876, mit 25 Jahren, a.o. Professor war. Nach Ordinariaten für Kirchengeschichte in Gießen, 1879, und in Marburg, 1886, wurde er 1888 an die Universität zu Berlin berufen und lehrte dort bis 1924. 1890 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, die für ihn wie für seinen berühmten Vorgänger Schleiermacher v.a. der Ort langfristiger Forschungsprojekte war.

Seit 1897 auch korr. Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, war Harnack von 1905-1921 zugleich Generaldirektor der Königlichen Bibliothek / Staatsbibliothek und von 1911-1930 Präsident der wesentlich von ihm konzipierten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), der heutigen Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Als Modernisierungsimpuls im deutschen Wissenschaftssystem hoch bedeutsam, markiert die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft „für naturwissenschaftliche Forschung“, wie es anfangs hieß, zugleich eine Zäsur der Universitätsgeschichte. In der Einrichtung der außeruniversitären Forschungsinstitute, das hat Max Weber nicht zufällig konstatiert, sei „die alte Universitätsverfassung fiktiv geworden“. Ab 1920 engagierte Harnack sich für die „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“, der Vorläufereinrichtung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, war seit der Gründung Vorsitzender ihres Hauptausschusses und als erster und einziger Theologe Ritter, Vizekanzler und Kanzler des Ordens pour le mérite für Wissenschaften und Künste.

Verankert familiär im deutschen bildungsbürgerlich-akademischen Milieu, über seine Frau den Gelehrtenfamilien Liebig und Thiersch verbunden, lebte Harnack in Berlin mit gleicher Anerkennung in der Hofgesellschaft und in engem Kontakt mit Wilhelm II. wie er politisch und intellektuell in der Berliner Gesellschaft präsent war. Sein Schwager Hans Delbrück war Herausgeber der „Preußischen Jahrbücher“, politische kooperierte Harnack u.a. mit →Ernst Troeltsch, war im Evangelisch-Sozialen Kongreß aktiv, engagierte sich für das Universitätsstudium von Frauen und war zumal in der Frühphase der Weimarer Republik auch bildungs- und wissenschaftspolitischer Berater des preußischen Kultusministeriums.

Lehrbuch der Dogmengeschichte

Seine berühmtesten Schriften sind das Lehrbuch der Dogmengeschichte, in drei Bänden von 1886-1890 erschienen, von größter Wirkung war das Wesen des Christentums, aus Vorlesungen 1899/1900 entstanden, im Druck 1900, das 70. Tausend mit der 14. Aufl. 1925, in 14 Sprachen übersetzt. Noch die 15. Aufl. von 1950 spiegelt im Geleitwort von Rudolf Bultmann die historische Bedeutung und zugleich den tiefen theologischen Dissens. Harnack entwickelte seine Theologie, als „liberale Theologie“ und „Kulturprotestantismus“ so gerühmt wie kritisiert, immer im Konflikt mit der kirchlichen Orthodoxie, deren Theologie und deren Sozialmilieus. Er wurde deswegen vom Evangelischen Oberkirchenrat und in der Polemik konservativer Zeitungen scharf bekämpft, die seine Berufung nach Berlin zu verhindern suchten, so dass sie erst von Wilhelm II. in Verbindung mit Bismarck im Sinne des Fakultätsvorschlags durchgesetzt wurde.

Harnack als scharfer Kritiker

Nach 1920 hat Harnack aber auch scharf gegen die „dialektische Theologie“ in der Nachfolge von Karl Barth argumentiert und sie als Wiederaufleben einer antiken häretischen Sekte attackiert. Den autonomen Status der Theologie als Wissenschaft und damit auch ihren legitimen Platz in der Universität hat er konstant verteidigt, programmatisch, wie in der Rektoratsrede von 1901, und mit eigenen kirchenhistorischen Forschungen und seinen Editionen der Schriften der Kirchenväter auch in seiner Praxis. Nicht ein kirchliches Mandat, allein die eigene, international vernetzte Forschung galt ihm als Ausweis der universitären Anerkennung einer Wissenschaft. Das „Harnack“-Prinzip von KWG und MPG, nur um die besten Wissenschaftler herum ein Institut zu gründen, galt für ihn auch universitär.

Mit seinem Plädoyer für den Primat der Forschung, aber auch gegen die universitäre Ausbildung z.B. aller Lehrer, nicht nur der Gymnasiallehrer, definierte er das Selbstverständnis der Universität auch im neuen Staat. In der Anerkennung der Verfassung und der Demokratie blieb er allerdings in der Minderheit gegenüber seinen mehrheitlich konservativen und demokratiekritischen Kollegen. Selbst in der Theologischen Fakultät fand 1933 der NS-Staat seine Verbündeten, die sie gegen Harnacks Geist zu einem Ort der „Deutschen Christen“ machten, während z.B. sein Schüler Dietrich Bonhoeffer von den Nazis ermordet wurde und sein Sohn Axel und seine Neffe Arvid zum Widerstand gehörten.

Schriften (in Auswahl)

  • Das Wesen des Christentums, [Leipzig 1900/15. Aufl. Leipzig 1950] hrsg. v. Claus-Dieter Osthövener, Tübingen 2002.
  • Lehrbuch der Dogmengeschichte, 3 Bde, Freiburg 1886-1897.
  • Die Aufgabe der Theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte. Rektoratsrede vom 3. August 1901,Gießen 1901.
  • Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, im Auftrage der Akademie bearbeitet, 3 Bde, Berlin 1900.

Literatur (in Auswahl)

  • Adolf von Harnack: Christentum, Wissenschaft und Gesellschaft. Wissenschaftliches Symposion aus Anlaß des 150. Geburtstags 2001, hrsg. von Kurt Nowak u.a., Göttingen 2003 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte.  Bd. 204).
  • Rebenich, Stefan: Die Altertumswissenschaften und die Kirchenväterkommission an der Akademie: Theodor Mommsen und Adolf Harnack. In: Kocka, Jürgen (Hrsg.), Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 199-233.
  • Nottmeier, Christian: Adolf von Harnack und die deutsche Politik, 1890-1933, Tübingen 2004.

 


Adolf von Harnack 

1851 (Tartu) – 1930 (Heidelberg)

 

Protestant theologian – Church historian – Coordinator and organiser of science and research

 

Adolf von Harnack, Foto: ullstein
Adolf von Harnack, Foto: ullstein

Adolf von Harnack was of far-reaching significance, first as a theologian and, above all, as a historian of the Church and dogma. With his resolute cultural Protestant standpoint, he made the University of Berlin the centre of worldwide theological debates and controversies in the late 19th and early 20th centuries. At the same time, he was very active in science policy, was intimately involved in the “Althoff system”, i.e., the modernisation of the University of Berlin in around 1900, and, due to his close contacts with Wilhelm II, among other things, was also hugely consequential with his work in the founding of the Kaiser Wilhelm Society, today the Max Planck Society, and, during the early phase of the Weimar Republic, also as an advisor to the Prussian Ministry of Education and Cultural Affairs.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Career

Karl Gustav Adolf Harnack, von Harnack since 1914, was born to a Protestant theologian in Tartu, Estonia, the second of four children. After sitting his final school examinations (Abitur) in 1868, he studied Protestant theology, first in Tartu, then, from 1872 onwards, in Leipzig, where he received his doctorate in 1873, habilitated (qualified to lecture and hold professorial positions) in 1874, and, in just 1876, at the age of 25, became an “extraordinary” (non-chaired) professor. Following chaired professorships of ecclesiastical history in Giessen, in 1879, and in Marburg, in 1886, he was appointed to the University of Berlin in 1888 and taught there until 1924. In 1890, he became a member of the Academy of Sciences in Berlin, which, just as for his famous predecessor →Schleiermacher, was first and foremost the site of long-term research projects for him. Also a corresponding member of the Bavarian Academy of Sciences from 1897, Harnack was concurrently director general of the Royal Library (Königliche Bibliothek/Staatsbibliothek) from 1905–1921 and, from 1911–1930, President of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft [KWG]), now the Max Planck Society (Max-Planck-Gesellschaft [MPG]). Hugely significant within the German science system as impetus for modernisation, the foundation of the Kaiser Wilhelm Society “for Scientific Research”, as it was initially called, also marks a turning point in the university’s history. In the establishment of these non-university research institutes – and it is no coincidence that Max Weber said this – “the old constitution of the university ha[d] become a fiction”. From 1920 onwards, Harnack was very involved in the “Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft” (Emergency Association of German Science), the predecessor of the German Research Foundation (DFG). He was chairman of its main committee from the point of its foundation onwards, and was the first and only theologian to be Knight, Vice-Chancellor and Chancellor of the Order Pour le Mérite for Sciences and the Arts. Anchored in the milieu of the German educated middle class through his family and connected to the scholarly Liebig and Thiersch families through his wife, Harnack’s time in Berlin saw him just as respected in court society and in close contact with Wilhelm II as he was present in Berlin’s political and intellectual society. His brother-in-law Hans Delbrück was editor of the Preußische Jahrbücher, while Harnack cooperated politically with →Ernst Troeltsch and others, was active in the Evangelical Social Congress (Evangelisch-Sozialen Kongreß), campaigned for university education for women and, especially during the early phase of the Weimar Republic, was also an advisor to the 

Textbook of the history of dogma

His most famous written work was the Lehrbuch der Dogmengeschichte (History of Dogma), published in three volumes from 1886–1890; the biggest impact was made by Das Wesen des Christentums (What is Christianity?), which resulted from lectures held in 1899/1900; printed in 1900, with the 70th thousand copies being issued with the 14th edition in 1925, it was translated into 14 languages. The 15th edition from 1950, in the preface by Rudolf Bultmann, still reflects its historical significance and, at the same time, the profound theological dissent. Harnack developed his theology as “liberal theology” and “cultural Protestantism”, praised and criticised in equal measure, and always in conflict with the Church orthodoxy, its theology and its social milieu. He was therefore fiercely opposed by the Evangelical High Consistory (Evangelischer Oberkirchenrat) and in the polemics of conservative newspapers, which sought to obstruct his appointment in Berlin. It was thus only Wilhelm II, in conjunction with Bismarck, who pushed it through, in accordance with the wishes expressed in the faculty’s recommendation.

Harnack as a sharp critic

After 1920, however, Harnack also argued sharply against the “dialectical theology” following Karl Barth and attacked it as a revival of an ancient heretical sect. He consistently defended the autonomous status of theology as a discipline, and thus also its legitimate place in the university, in both the policy he outlined, as in his inaugural address as rector in 1901, and his practice, with his own research on Church history and his editions of the writings of the Church Fathers. It was not an ecclesiastical mandate, but a university’s own, internationally networked research alone that he saw as proof of its recognition of an academic discipline. The “Harnack” principle of the KWG and MPG, to found an institute only around the best scientists, also applied at the university in his view.

With his plea for the primacy of research, but also against, for example, university training for all teachers and not just teachers at academic secondary schools (Gymnasien), he defined the university’s conception of itself in the new state as well. However, in recognising the constitution and democracy, he remained in the minority compared to his colleagues, who were largely conservative and critical of democracy. In 1933, the Nazi state found allies even in the Faculty of Theology, who made it a place of the “German Christians”, against the spirit of Harnack, while his student →Dietrich Bonhoeffer, for example, was murdered by the Nazis, and his son Axel and nephew Arvid were part of the resistance.

Written works (selection)

  • Das Wesen des Christentums, [Leipzig 1900/15. Aufl. Leipzig 1950] hrsg. v. Claus-Dieter Osthövener, Tübingen 2002.
  • Lehrbuch der Dogmengeschichte, 3 Bde, Freiburg 1886-1897.
  • Die Aufgabe der Theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte. Rektoratsrede vom 3. August 1901,Gießen 1901.
  • Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, im Auftrage der Akademie bearbeitet, 3 Bde, Berlin 1900.

References (selection)

  • Adolf von Harnack: Christentum, Wissenschaft und Gesellschaft. Wissenschaftliches Symposion aus Anlaß des 150. Geburtstags 2001, hrsg. von Kurt Nowak u.a., Göttingen 2003 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte.  Bd. 204).
  • Rebenich, Stefan: Die Altertumswissenschaften und die Kirchenväterkommission an der Akademie: Theodor Mommsen und Adolf Harnack. In: Kocka, Jürgen (Hrsg.), Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Kaiserreich, Berlin 1999, S. 199-233.
  • Nottmeier, Christian: Adolf von Harnack und die deutsche Politik, 1890-1933, Tübingen 2004.

 

 

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