Humboldt-Universität zu Berlin

Hans von Dohnanyi

Jurist – Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus – „Gerechter unter den Völkern“

 

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Hans von Dohnanyi

Hans von Dohnanyi, um 1940 / bpk

Hans von Dohnanyi, der an der Berliner Universität Jura studierte und später im Reichsjustizministerium und im Reichsgericht tätig war, gehörte zum Widerstand gegen das NS-Regime und wurde dafür im April 1945 hingerichtet.

Hans von Dohnanyi stammte aus einer ungarischen Musikerfamilie. Sein Vater war Komponist, seine Mutter Pianistin. Nach der Trennung der Eltern wuchs er in Berlin auf und war Schüler des Grunewald-Gymnasium, zusammen mit Dietrich und Klaus Bonhoeffer. Von 1920 bis 1924 studierte er Rechtswissenschaften an der Berliner Universität und promovierte mit einer Dissertation über internationales Recht.

1925 heiratete er Christine Bonhoeffer, die Schwester seiner Schulfreunde. Mit ihr hatte er drei Kinder, darunter Klaus von Dohnanyi, der in den 1980er Jahren Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg war, und Christoph von Dohnanyi, der ein renommierter Dirigent wurde.

 

 

 

Distanz zum NS-Regime 

und Kontakt zum Widerstand

Hans von Dohnanyi fand Anstellung im Reichsjustizministerium, avancierte zum persönlichen Referenten mehrerer Minister, zuletzt von Franz Gürtner, der von 1932 bis zu seinem Tod 1941 auch dem NS-Regime als Reichsjustizminister diente. Trotz seiner hohen Position im Ministerium war Dohnanyis Distanz zum NS-Regime evident. Seine kritische Haltung zur „Rassengesetzgebung“, an der er anfänglich beteiligt war, führte dazu, dass ihn Gürtner 1938 als Reichsgerichtsrat an das Reichsgericht in Leipzig versetzte.

Zu dieser Zeit hatte Hans von Dohnanyi bereits Kontakt zur Widerstandsgruppe um Hans Oster aufgenommen, der im Amt Abwehr der Wehrmacht unter Wilhelm Canaris arbeitete. Oster forderte ihn auch zu Beginn des Zweiten Weltkrieges für die Abwehr an; Ende 1941 verließ Hans von Dohnanyi das Reichsgericht.

Fluchthelfer und Menschenretter

 

Dank seiner Stellung als Mitarbeiter des Amtes Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht ermöglichte Hans von Dohnanyi 1942 die Flucht der jüdischen Berliner Rechtsanwälte Fritz Arnold und Julius Fliess mit ihren Familien und anderen Verfolgten in die Schweiz. Insgesamt 14 Menschen rettete er das Leben und wurde dafür 2003 posthum von der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit der Bezeichnung „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Doch stand das Amt Ausland/Abwehr schon längere Zeit im Visier des Reichssicherheitshauptamtes; im April 1943 wurde Dohnanyi wegen angeblicher Devisenvergehen verhaftet. Aufgrund der beschlagnahmten Unterlagen geriet auch Hans Oster ins Visier der Gestapo, musste das Amt Ausland/Abwehr verlassen und wurde nach dem Stauffenberg-Attentat im Juli 1944 verhaftet.

Prozess und Hinrichtung

Die Gestapo-Ermittlungen nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 brachten etliche Verbindungen des Widerstands zu Tage. Hans Oster, Wilhelm Canaris und auch Hans von Dohnanyi wurden schwer belastet. Dohnanyi, in der Haft schwer erkrankt und seit August 1944 in der Krankenabteilung des KZ Sachsenhausen interniert, wurde Anfang Februar 1945 in das Hausgefängnis der RSHA in der Prinz-Albrecht-Straße 8 gebracht. Dohnanyi litt in den folgenden Wochen an Herzbeschwerden und Lähmungserscheinungen bis hin zur Bewusstlosigkeit, ohne dass die Gestapo ihm hätte medizinische Hilfe zuteil werden lassen.

Einen Prozess vor dem Volksgerichtshof gegen die Gruppe um Canaris, Oster, von Dohnanyi wollte die Regimeführung vermeiden, vielleicht um zu verhindern, dass die Angeklagten ihr Abwehrwissen offenlegten. Hitler selbst ordnete deren Hinrichtung an. Walther Huppenkothen, studierter Jurist und SS-Standartenführer im Reichssicherheitshauptamt, fuhr im Auftrag von RSHA-Chef Kaltenbrunner am 6. April nach Sachsenhausen, um vor einem Standgericht, das aus dem KZ-Kommandanten und weiteren SS-Leuten bestand, als Ankläger zu fungieren. Dohnanyi, der noch stark von seiner Krankheit gezeichnet war, musste der Verhandlung auf einer Trage beiwohnen. Ein Verteidiger wurde nicht bestellt. Das Gericht entsprach dem Antrag Huppenkothens auf Todesstrafe. Drei Tage später, am 9. April 1945, nur vier Wochen vor der Kapitulation des Dritten Reiches, wurde Hans von Dohnanyi im KZ Sachsenhausen erhängt.

Walther Huppenkothen, nach dem Krieg wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, erwirkte ein Urteil des Bundesgerichtshofes 1956, das das Standgerichtsverfahren als rechtens anerkannte. Erst 2002 sprach der damalige Präsident des Bundesgerichtshofes Günter Hirsch aus Anlass einer Rede zum 100. Geburtstag von Hans von Dohnanyi aus, dass man sich für dieses Urteil des Bundesgerichtshofes schämen müsse. Walther Huppenkothen lebte bis zu seinem Tod 1978 unbehelligt als Wirtschaftsjurist in der Bundesrepublik.

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität ehrt Hans von Dohnanyi mit einer Büste im Foyer, die 2009 enthüllt wurde.

Schriften (in Auswahl)

  • „Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben“. Briefe aus Militärgefängnis und Gestapo-Haft 1943-1945, München 2015.

Literatur (in Auswahl)

  • Meyer, Winfried: Hans von Dohnanyi und die Verschwörer des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen, Berlin 1999.
  • Sifton, Elisabeth /Fritz Stern: Keine gewöhnlichen Männer, Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler, München 2013.
  • Thies, Jochen: Die Dohnanyis. Eine Familienbiographie, München 2004.
  • Tuchel, Johannes (Hg.): Erinnerungen an Hans von Dohnanyi, Berlin 2002.

 


 

Hans von Dohnanyi

1st January 1902 (Vienna) – 9th April 1945 (Sachsenhausen concentration camp)

 

Lawyer – Resistance fighter against National Socialism – “Righteous Among the Nations”

 

Hans von Dohnanyi, um 1940 / bpkHans von Dohnanyi, who studied law at the University of Berlin and later worked in the Reich Ministry of Justice and the Reichsgericht (the supreme court of the Reich), was part of the resistance against the Nazi regime and was executed for this in April 1945.

Hans von Dohnanyi came from a Hungarian family of musicians. His father was a composer; his mother, a pianist. After his parents separated, he grew up in Berlin and was a student at the Grunewald Gymnasium, together with ® Dietrich and Klaus Bonhoeffer. From 1920 to 1924, he studied law at the University of Berlin, receiving his doctorate with a thesis on international law.

In 1925, he married Christine Bonhoeffer, the sister of his school friends. He had three children with her, including Klaus von Dohnanyi, who was the First Mayor of the Free and Hanseatic City of Hamburg in the 1980s, and Christoph von Dohnanyi, who became a renowned conductor.

 

Distance from the Nazi regime and contact with the resistance 

Hans von Dohnanyi found employment in the Reich Ministry of Justice and rose to become the personal advisor to several ministers, the last of whom was Franz Gürtner, who served as the Reich Minister of Justice, also under the Nazi Regime, from 1932 until his death in 1941. Despite his high position in the ministry, Dohnanyi’s distance from the Nazi regime was evident. His critical stance towards the “racial legislation”, in which he was initially involved, led Gürtner to transfer him to the Reichsgericht in Leipzig as an associate judge (Reichsgerichtsrat) in 1938.

Escape and human rescuers

By that time, Hans von Dohnanyi had already made contact with the resistance group led by Hans Oster, who worked in the Wehrmacht’s military intelligence agency (the Abwehr) under Wilhelm Canaris. Oster also commandeered him for the Abwehr at the start of the Second World War; at the end of 1941, Hans von Dohnanyi left the Reichsgericht.

Thanks to his position as an employee of the Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht (Agency for foreign and counter-intelligence of the High Command of the Armed Forces), Hans von Dohnanyi made it possible for the Jewish Berlin lawyers Fritz Arnold and Julius Fliess to flee to Switzerland in 1942 together with their families and other persecuted persons. He saved the lives of 14 people in total and was posthumously honoured for this in 2003 by the Yad Vashem memorial in Jerusalem with the title “Righteous Among the Nations”.

However, the Amt Ausland/Abwehr had already been in the sights of the Reich Security Main Office for a long time; in April 1943, Dohnanyi was arrested for alleged currency offences. As a result of the confiscated documents, Hans Oster also attracted the attention of the Gestapo, had to leave the Amt Ausland/Abwehr and was arrested after the Stauffenberg assassination attempt in July 1944.

Trial and execution

The Gestapo investigations following the assassination attempt on 20th July 1944 unearthed a number of links to the resistance. Hans Oster, Wilhelm Canaris and also Hans von Dohnanyi were heavily incriminated. Dohnanyi, who had fallen seriously ill in detention and been interned in the infirmary of Sachsenhausen concentration camp since August 1944, was transferred to the “house prison” of the Reich Security Main Office (RSHA) at Prinz-Albrecht-Straße 8 at the beginning of February 1945. In the subsequent weeks, Dohnanyi suffered from heart problems and signs of paralysis, even reaching unconsciousness, without the Gestapo allowing him to receive any medical assistance.

The regime leadership wanted to avoid a trial in the People’s Court against the group surrounding Canaris, Oster and von Dohnanyi, perhaps to prevent the defendants from disclosing their counter-intelligence knowledge. Hitler himself ordered their execution. Walther Huppenkothen, a trained lawyer and SS Standartenführer (SS colonel) in the Reich Security Main Office, went to Sachsenhausen on 6th April at the behest of RSHA chief Kaltenbrunner to serve as a prosecutor before a drumhead court-martial consisting of the concentration camp commander and other men in the SS. Dohnanyi, who was still heavily affected by his illness, had to attend the trial on a stretcher. No counsel for the defence was appointed. The court obliged Huppenkotten’s request for the death penalty. Three days later, on 9th April 1945, just four weeks before the surrender of the Third Reich, Hans von Dohnanyi was hanged in Sachsenhausen concentration camp.

Walther Huppenkothen, accused of complicity in murder after the war, obtained a judgment from the Federal Court of Justice in 1956 that recognised the proceedings of the drumhead court-martial as legal. It was not until 2002 that the then President of the Federal Court of Justice, Günter Hirsch, giving a speech to mark Hans von Dohnanyi’s 100th birthday, stated that one ought to be ashamed of this judgment by the Federal Court of Justice. Walther Huppenkothen lived undisturbed in the Federal Republic of Germany as a business lawyer up until his death in 1978.

The Humboldt-Universität’s Faculty of Law honours Hans von Dohnanyi with a bust in its foyer, which was unveiled in 2009.

Written works (selection)

  • „Mir hat Gott keinen Panzer ums Herz gegeben“. Briefe aus Militärgefängnis und Gestapo-Haft 1943-1945, München 2015.

References (selection)

  • Meyer, Winfried: Hans von Dohnanyi und die Verschwörer des 20. Juli 1944 im KZ Sachsenhausen, Berlin 1999.
  • Sifton, Elisabeth /Fritz Stern: Keine gewöhnlichen Männer, Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler, München 2013.
  • Thies, Jochen: Die Dohnanyis. Eine Familienbiographie, München 2004.
  • Tuchel, Johannes (Hg.): Erinnerungen an Hans von Dohnanyi, Berlin 2002.

 

 

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