Hans Gabriel Löwenthal
Hans Gabriel Löwenthal wurde als ältestes Kind des Möbelladen-Besitzers Siegfried Löwenthal und der Hausfrau Auguste (geb. Koppel) am 26. Mai 1912 in Berlin geboren. Er hatte zwei Schwestern, Claire Ora, die 1933 nach Palästina emigrierte, und Ingeborg Hanna, die sechs Jahre später ihrer Schwester nachfolgte.1
Brief von Hans Löwenthal an seiner Schwester vom 10. August, 1939.
Über die Erinnerungen der Schwestern konnten uns die Kinder von Hanna, also die Nichte und der Neffe von Hans Löwenthal, berichten. Er war immer das "gute Kind", mit dem es nicht nur keinen Ärger und keine Probleme gab, sondern das auch sich eher um andere, als um sich gekümmert hat. Er hat seine Schwester Claire trotz ihrer oft gemeinen Kinderscherze, wie eine Königin behandelt.2 Seine besondere Beziehung mit seinen Schwestern wird durch folgende, 1939 an Claire gerichtete Zeilen deutlich:
"Inge freut sich gewiß sehr auf Euch, besonders auf euer Kindchen, das wird sich sehr schnell an Inge gewöhnen, denn alle Kinder, mit denen Inge in Berührung kommt, sind ganz arg hinter ihr her. Sie muss mit ihnen spielen und angeben, ob sie will oder nicht. Erinnerst du dich, mein liebes Clärchen, dass es bei dir ebenso war? Ihr beide habt sehr viel gemeinsam."3
Obwohl er in einer säkularen Familie aufwuchs, entschied sich Hans Löwenthal für das Rabbinerstudium. Er besuchte die Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums4 und wurde zum liberalen Rabbiner ausgebildet. An der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin studierte Hans Löwenthal "Völkische Erziehung".5 Seine Angehörigen erzählten, dass er sowohl in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße lehrte, als auch gelegentlich die Sabbatfeier durchführte.6
Rabbiner Hans Löwenthal, unbekanntes Datum.
Angesichts der Emigration seiner Schwestern taucht die Frage auf, warum Hans Löwenthal in Deutschland blieb. Von ihrer Mutter und ihrer Tante hörten sein Neffe und seine Nichte, dass er die Eltern einfach nicht allein lassen wollte.7 Im Jahre 1940 versuchte ein Bekannter, der nach New York emigriert war, Hans Löwenthal über Shanghai in die Vereinigten Staaten zu bringen. Ob diese Aktion überhaupt noch möglich gewesen wäre, wissen wir nicht.8 Dieser Versuch zeigt aber, dass in dieser Zeit bereits sowohl die Familie als auch ihre Umgebung eine deutliche Gefahr spürten.
Obwohl er sich verpflichtet fühlte, bei seinen Eltern zu bleiben, sehnte sich Hans Löwenthal nach Palästina, wie er dies auch seinen Schwestern, wahrscheinlich im Jahre 1940, schrieb:
"Meine Lieben!
[...]
Ich lerne viel Ivrit und kann schon ganz gut sprechen. So Gott will, werde ich auch nach Eretz Israel kommen, um dort Moreh [Lehrer] zu sein. Wie das gehen wird, weiß ich noch nicht. Aber man muss abwarten. Bis zum nächsten Brief alles Gute und herzliche Grüße und Küsse, euer Hans. Mazal U'Bracha [Glück und Segen] für euer Haus."9
Am 24. November 1942 wurden Hans Löwenthal und seine Eltern aus ihrer Wohnung in der Auguststraße 6 evakuiert. Am 29. November 1942 wurden sie aus Berlin deportiert. Nach dem Krieg erfuhr seine Schwester Hanna, dass er nach Theresienstadt gebracht worden war und dass er sogar im Lager lehrte. Die offiziellen Quellen belegen, dass die drei ihren Tod in Auschwitz fanden.10
- 1. Persönliches Gespräch der Vf. mit Shlomit Yariv und Yoav Tal (Nichte und Neffe von Hans Löwenthal), Israel, 02.01.2010.
- 2. Ebd.
- 3. Brief von Hans Löwenthal an Claire Ora Wolf, 10.08.1939. Der Brief und die nachfolgend erwähnte Briefe wurden uns von der Familie übergeben.
- 4. Vgl. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17.05.1939, Bestand R15.09 Reichssippenamt Datenbank, Datensatz zu Hans Löwenthal.
- 5. Vgl. Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv, Stammrolle für Reichsdeutsche Nichtarier.
- 6. Persönliches Gespräch der Vf. mit Shlomit Yariv und Yoav Tal. Israel, 02.01.2010.
- 7. Ebd.
- 8. Vgl. Brief von Erwin Zimel an Trude Löwenthal, 21.08.1940.
- 9. Brief von Hans, Siegfried und Auguste Löwenthal an Claire Ora Wolf, unbekanntes Datum.
- 10. Vgl. Onlineversion des Gedenkbuches an Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945, www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/intro.html, abgerufen Februar 2010.