Humboldt-Universität zu Berlin

Herbert Simon Brinitzer

29.08.1911 - 26.11.1943

Herbert Simon Brinitzer wurde als Sohn von Artur - vermutlich einem Tischler1 - und Henriette Brinitzer am 29. August 1911 in Kattowitz geboren. Seine Mutter wurde von ihrem Wohnort Beuthen am 12. Juni 1942 nach Auschwitz deportiert und gilt seitdem als "verschollen".2 Über den weiteren Verbleib des Vaters ist nichts bekannt, sein Todesdatum ist im Gedenkbuch des Bundesarchivs für den 12. April 1940 vermerkt.3

Wann und wie Herbert Brinitzer nach Berlin gelangte, ist nicht bekannt. Wie die "Stammrolle für Reichsdeutsche Nichtarier an der Universität Berlin" aus dem Universitätsarchiv belegt, war er bis zum 1. Oktober 1936 offiziell an der Berliner Universität an der Medizinischen Fakultät eingeschrieben.4 Sein Abgangszeugnis konnte nicht aufgefunden werden.

Bei der Volkszählung 1939 gab er an, wohnhaft in Beuthen, Oberschlesien, in der Bahnhofstraße 29 zu sein5 - der Adresse, unter welcher auch seine Eltern laut dieser Volkszählung gemeldet waren.6

Der nächste Hinweis von Herbert Brinitzer lässt sich im Zusammenhang mit dem "Jüdischen Umschulungs- und Einsatzlager am Grünen Weg in Paderborn", das von 1939 bis 1943 existierte, finden. Dieses Lager wurde Ende Juni 1939 als sogenanntes Hachscharah-Kibbuz7 gegründet. In einem Vertrag zwischen der "Reichsvereinigung der deutschen Juden" und der Stadt Paderborn war das Grundstück am Grünen Weg "unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden, damit im Zuge der jüdischen Selbsthilfe junge Juden zu ,körperlicher, vorwiegend landwirtschaftlicher und gärtnerischer Arbeit als Vorbereitung ihrer Auswanderung' ausgebildet werden konnten".8 Das Hachscharah-Kibbuz unterstand dem deutschen Landesverband der Hechaluz, als "Hinwendung der deutschen jüdischen Jugend nach Palästina".9

Herbert Brinitzer versuchte offenbar, wie viele tausende andere Juden auch, nach Palästina zu emigrieren. Diese hürdenvolle Aufgabe10 wurde schließlich ab Oktober 1941 unmöglich, da der Reichsführer-SS Heinrich Himmler durch eine Geheimanordnung die Auswanderung einstellen ließ. Herbert Brinitzer meldete sich vom Hachschara-Kibbuz in Klein-Schnellendorf am 24. Mai 1940 in das Umschulungslager in Paderborn um. Dorthin kam auch seine zukünftige Ehefrau Charlotte Seligmann11 am 6. Januar 1941, die als vorherigen Wohnort Chemnitz angab.12

Im Juni 1941 wurde durch einen erneuten Vertrag das Lager in ein Arbeitslager für 100 Personen, ein sogenanntes "Einsatzlager", umgewandelt. Die Insassen, seit September 1941 gezwungen, den Gelben Stern zu tragen, mussten nun Zwangsarbeit in der Stadt leisten.

Laut eines Eintrages des Standesamts in Paderborn heirateten Herbert Brinitzer und Charlotte Seligmann am 9. Februar 1942.13 Da sie zu den Älteren der Gruppe gehörten, bildeten sie wahrscheinlich eine gesonderte Gemeinschaft als die jüngeren Bewohnerinnen und Bewohner, die auf Grund verschiedener Hachschara-Lagerauflösungen 1941/42 nach Paderborn gekommen waren.14 Sie wohnten vermutlich sogar in einer eigenen Baracke für Ehepaare.

Herbert und seine Frau Charlotte Brinitzer wurden gemeinsam mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern des "Einsatzlagers" am Grünen Weg am 1. März 1943 über Bielefeld ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Über Charlotte Brinitzers Schicksal ist nichts weiter bekannt; sie gilt als "verschollen".15 Herbert Brinitzer kam nach Auschwitz III, Buna-Monowitz16 und erhielt die Häftlingsnummer 104906. Am 26. November 1943 verstarb er in Monowitz.17

Viele Informationen verdanken wir den Recherchen von Ron Brinitzer, dem Großneffen von Herbert Brinitzer. Für seine Anregungen sei ihm herzlich gedankt. Dank gebührt ebenso dem ehemaligen Bewohner des Lagers "Grüner Weg", Israel Löwenstein, sowie der Historikerin Dr. Naarmann.

Herbert Simon Brinitzer Photo

Yad Vashem Gedenkblatt als Erinnerung an Herbert Brinitzer.

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  1. 1. "In Kattowitzer Adressbüchern ist mehrmals ein Tischler gleichen Namens eingetragen". Information von Ron Brinitzer, 25.01.2010 (E-Mail Kontakt der Vf.).
  2. 2. Information aus den Yad Vashem Gedenkblättern ihrer Nichte Traute L. Bieber vom 24.10.1977 sowie von Helene Berger vom 16.09.1956.
  3. 3. Eintrag im Gedenkbuch des Bundesarchivs, www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html?id=848384&submit;=1&page;=1&maxview;=50&offset;=0, abgerufen am 14.05.2010.
  4. 4. Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv, Stammrolle für Reichsdeutsche Nichtarier der Universität Berlin, Kennziffer 12.
  5. 5. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde: Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17.05.1939, Bestand R15.09 Reichssippenamt Datenbank.
  6. 6. Ergänzungskarte der Volkszählung von 1939; Information von Ron Brinitzer (E-Mail Kontakt der Vf.).
  7. 7. Hachschara (hebräisch), bedeutet "Vorbereitung, Tauglichmachung".
  8. 8. Margit Naarmann: Ein Auge gen Zion. Das jüdische Umschulungs- und Einsatzlager am Grünen Weg in Paderborn 1939-1943, Köln 2000, S. 25.
  9. 9. Ebd. S. 12.
  10. 10. Vgl. ebd. S. 20ff.
  11. 11. Charlotte Seligmann wurde am 13.01.1908 in Schwetz, Westpreußen geboren. Information aus dem Yad Vashem Gedenkblatt von Alfred Ohnhaus, 05.04.1990.
  12. 12. Margit Naarmann, a.a.O., S. 155.
  13. 13. Ebd.
  14. 14. Information von Israel Jürgen Löwenstein, 05.05.2010 (E-Mail Kontakt der Vf.).
  15. 15. Yad Vashem Gedenkblatt von Alfred Ohnhaus, 05.04.1990.
  16. 16. Konzentrationslager der IG Farben, das Arbeitskräfte für den Bau der Buna-Werke in Dwory/Auschwitz benötigte.
  17. 17. Information von Israel Jürgen Löwenstein, 19.04.2010 (E-Mail Kontakt der Vf.).

 

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