Humboldt-Universität zu Berlin

Die Entfernung unerwünschter Studierender

Gegen "Staatsfeinde" und "Verjudung"

"Ein Student, der es nicht für nötig hält, sich in die Reihen der politischen Soldaten Adolf Hitlers einzugliedern, soll künftig nicht mehr wert sein, an der Universität Berlin zu studieren."

Wilhelm Krüger, Rektor der Berliner Universität, 1937

1920er bis 1933

Schon seit den 1920er Jahren ist das körperliche Herausdrängen jüdischer und politisch missliebiger Kommiliton_innen aus den Türen der Universität verbreitete Praxis. Am 30. Juni 1932 fordern die nationalsozialistischen Studenten, es müsse "den Juden mindestens der Aufenthalt in der Eingangshalle" verboten werden. Am 30. Januar 1933 verlangen sie erste Relegationen politischer Gegner.

Vorgehen gegen politische Gegner

Was der Rektor zunächst ablehnt, erledigt bald eine Reihe von Erlassen des neuen nationalsozialistischen Kultusministers. Am 29. Juni 1933 fordert das Kultusministerium die Entfernung aller Studierenden, "die sich in den letzten Jahren nachweislich in kommunistischem Sinne betätigt haben". Auf Initiative aus der Berliner Universitätsleitung folgt am 9. August eine Erweiterung auf Sozialdemokrat_innen (im NS-Jargon "Marxisten") und Studierende, die sich "sonst in antinationalem Sinne aktiv betätigt haben".

Insgesamt müssen 124 Studierende bis 1934 die Universität aus politischen Gründen verlassen. "Schwarze Listen" verhindern ihre Aufnahme durch andere Universitäten.

Antisemitische Restriktionen

Dozent_innen und Hochschulangestellte jüdischer Herkunft werden nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 entlassen – es ist das erste Gesetz mit einem "Arierparagraphen". Ein solcher "Arierparagraph" schließt Studierende jüdischer Herkunft aus der nun wieder staatlich anerkannten "Deutschen Studentenschaft" aus. Immer wieder terrorisieren NS-Studenten, SA-Männer und Hochschulmitarbeiter die jüdischen Studierenden.

"Wegen staatsfeindlicher Gesinnung von den Hochschulen gewiesene Studierende" an der Universität Berlin, erste Seite der Auflistung vom 12. Dezember 1933 (UAHU, Nachnutzung nur mit Zustimmung des Universitätsarchiv)

Abb.: Foto: Bundesarchiv

Eugen Fischer, Mediziner und Rassenhygieniker, 1933 bis 1934 Rektor der Berliner Universität, bei einer NS-Kundgebung (BArch, Bild 183-1998-0817-502)

Am 25. April ergeht das "Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen", das sehr niedrige Quoten an "Nichtariern" festsetzt. Jüdische Studierende sind von Stipendien und Gebührenerlassen und sogar der Mensa ausgeschlossen. Zudem versperren die "Arierparagraphen" verschiedener Erlasse fast alle Berufsaussichten: Seit 1935 werden Juden kaum noch zu Staatsprüfungen zugelassen. Auf eine Anstellung im öffentlichen Bereich als Lehrer, Beamte oder Ärzte können sie nicht mehr rechnen. Auch freie Berufe wie niedergelassene Ärzte oder Anwälte unterliegen zunehmend antisemitischen Restriktionen. Die meisten Juden brechen bis 1934 ihre deutsche Universitätslaufbahn ab – wer kann, emigriert und studiert im Ausland weiter. Im Zuge der "Reichspogromnacht" vom 9. November 1938 untersagt der Reichskultusminister schließlich allen Juden das Betreten deutscher Hochschulen.

NS-Studentenbund, Behörden und Universitätsleitung intensivieren aber auch die politische Kontrolle über die "arischen" Studierenden. Mit Propaganda- und Schulungsveranstaltungen sowie SA-Diensten und ähnlichem versuchen sie, möglichst alle Studierenden zu erfassen. Seit Winter 1936 immatrikuliert die Universität nur noch Mitglieder von NS-Organisation.

"Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Schulen und Hochschulen" vom 25. April 1933

Abb.: Bundesarchiv

Aufruf der "Studentenschaft" der Universität Berlin, 1934 (BArch, Plak 003-012-007)

Folgen

Insgesamt werden an der Universität Berlin 1,2 Prozent der Studierenden relegiert. Unter ihnen sind viele Juden, fast ein Drittel der Verwiesenen sind Frauen. Die Berliner Universität entfernt – absolut und relativ – mit Abstand die meisten Studierenden im Reich.

  Reich FWU
gesamt 548 124
davon als Kommunisten   49
davon als "Marxisten"   46
davon als "Staatsfeinde"   29

Der Veterinäranatom Wilhelm Krüger, 1934 bis 1937 Rektor der Universität (UBHU, Portraitsammlung)