„Den praktischen Antisemitismus habe ich nicht erlebt“
- 1910 geboren in Osnabrück
- 1930 Studium der Geschichte, Geographie und Philologie in Berlin
- 1933 Auswanderung nach Palästina
- bis 1936 Hafenverwaltung in Jaffa
- 1936-1966 leitend tätig im Hafen Tel Aviv
- ab 1967 Handelsvertreter
- 1986 Ruhestand
- 2003 gestorben in Tel Aviv
Jugend in Berlin
Harry Salinger wurde 1910 in Osnabrück geboren, die Familie zog aber bald nach Berlin, wo der Vater eine Firma eröffnete, die Perserteppiche verkaufte. Die Salingers – so die Erzählung innerhalb der Familie – stammten von den ersten jüdischen Siedlern ab, die sich unter den Römern am Rhein niederließen. Schon während seiner Schulzeit in Berlin-Charlottenburg war Harry Salinger in der zionistischen Bewegung aktiv. In der Schule trug er das Abzeichen der jüdischen Pfadfindergruppe „Kadimah“, mit der er Ausflüge in verschiedene Regionen des Reiches unternahm.
Studium der Geographie und Geschichte
Im Wintersemester 1930 begann Harry Salinger an der Berliner Universität auf Rat eines Lehrers Philologie, Geschichte und Geographie zu studieren, mit dem Ziel, selbst Lehrer zu werden. Vor allem die Geschichte des Mittelalters interessierte ihn besonders. Um die Finanzierung seines Studiums musste sich Harry Salinger selber kümmern, da die Firma des Vaters schlecht lief. Er beantragte ein Stipendium und wohnte bei einer Familie, deren Söhnen er Nachhilfeunterricht gab.
Alijah
Harry Salinger trennte streng zwischen Studium und zionistischer Freizeit und erlebte nach seinen eigenen Erinnerungen weder als Schüler noch als Student Antisemitismus. Sein Entschluss, nach Palästina auszuwandern, beruhte, so Harry Salinger, auf seinen grundsätzlichen zionistischen Überzeugungen. Allerdings sah er klar, was mit der Machtübernahme Hitlers auf die deutschen Juden zukam, und wollte nicht warten, von den Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben zu werden.
Im August 1933 kam er zusammen mit seiner späteren Frau ohne viel Hab und Gut per Schiff aus dem italienischen Triest in Palästina an. Während seine Freundin wegen ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung in Deutschland ein Einwanderungszertifikat bekommen hatte, konnte er nur nach Palästina einreisen, weil ihm die Universität Jerusalem eine schriftliche Zusage für einen Studienplatz gegeben hatte.
Zweiter Studienabbruch in Jerusalem
Harry Salinger setzte in Jerusalem sein Studium mit den gleichen Fächern fort, musste aber nach kurzer Zeit wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgeben. In Jerusalem gab es damals für Studierende kaum Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Nach dem Abbruch des Studiums fiel damit die Legitimation für Harry Salingers Immigration fort, aber wer einmal legal nach Palästina eingereist war, wurde nicht mehr abgeschoben.
Leben in Tel Aviv
Notgedrungen kehrte Harry Salinger also nach Tel Aviv zurück, wo er 1934 seine Freundin heiratete. Sie schlugen sich mit Gelegenheitsjobs durch, sie arbeitete als Kellnerin, er auf dem Bau und als Lastenträger. Schließlich fand er eine Beschäftigung im Hafen des mehrheitlich arabischen Jaffa. Durch den täglichen Kontakt mit dortigen Arbeitern lernte Harry Salinger sehr schnell Arabisch, nachdem er sich bereits Hebräisch als Autodidakt erschlossen hatte. Wegen der arabischen Unruhen gegen die jüdische Einwanderung ab 1936 wurde im jüdischen Tel Aviv zwei Jahre später ein eigener Hafen eröffnete, dessen Hauptlagerverwalter und späterer Leiter der ökonomischen Abteilung Harry Salinger wurde.
Ende der 1960er Jahre machte sich Harry Salinger als Vertreter ausländischer Produktionsfirmen selbständig und kam unter anderem auch zu Messen nach Deutschland. Erst 1986 ging er – mit 76 Jahren – in Pension. Seinen zweiten Karriereweg bedauerte er rückblickend überhaupt nicht. 2003 verstarb Harry Salinger in Tel Aviv im Alter von 93 Jahren.Dokumente