Humboldt-Universität zu Berlin

„Wir haben Satisfaktion gegeben“

Max Kleinmann (1909-2008) studierte in Berlin Medizin und war Mitglied der Verbindung „Dahlemia“. 1933 wanderte er nach Italien aus, schloss dort sein Studium ab und überlebte den Krieg im Internierungslager. Später eröffnete er in New York eine eigene Arztpraxis.

 

 

Max Kleinmann
  • 1909 in Berlin geboren
  • 1929-1933 Medizinstudium in Berlin
  • 1933 Auswanderung nach Italien
  • 1935 Promotion in Pisa
  • 1935-1938 italienischer Militärdienst
  • ab 1940 Internierung in Italien
  • 1948 Auswanderung in die USA
  • 2008 gestorben in Flushing, NY

Medizinstudium an der Berliner Universität

Max Kleinmann wurde 1909 in Berlin als Sohn galizischer Juden geboren. Er besuchte zunächst drei Jahre lang die Jüdische Knabenschule in der Großen Hamburger Straße und wechselte dann auf das Königstädtische Gymnasium. 1929 nahm er das Medizinstudium an der Berliner Universität auf. Studiengebühren musste er nicht zahlen, da er die für einen Erlass notwendigen Prüfungen erfolgreich absolviert hatte.

Er war Mitglied einer Couleur tragenden Studentenverbindung, der „Dahlemia“, die auch Duelle austrug. Mit seinen nicht-jüdischen Kommilitonen und Kommilitoninnen hatte er, so Max Kleinmann in seiner Rückschau, keine Probleme, Antisemitismus spielte in den persönlichen Beziehungen keine Rolle. Auch zu den Professoren hatte er ein gutes Verhältnis.

Gewalt gegen jüdische Studierende

Das Jahr 1932 beschreibt Max Kleinmann als Ende der Normalität an der Universität. Die nationalsozialistische Bewegung erstarkte spürbar und führte zu einer Spaltung der Studentenschaft für oder gegen den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund.

Nachdem die NS-Führung am 1. April 1933 zu Boykottaktionen gegen "jüdische Geschäfte" aufgerufen hatte, fanden an diesem Tag auch an der Berliner Universität gewalttätige Aktionen gegen jüdische Studierende statt. Freunde warnten Max Kleinmann, den Campus zu betreten, da er aufgrund seiner, dem antisemitischen Klischee einer jüdischen Physiognomie entsprechenden, Nase besonders gefährdet sei. Diese rieten ihm danach auch zur zügigen Auswanderung, während sich andere 1933 unvermittelt von ihm distanzierten.

Fortsetzung des Studiums in Italien

Bei der jüdischen Gemeinde hatte Max Kleinmann ehrenamtlich als Auswanderungshelfer gearbeitet. Im Mai 1933 emigrierte er nun selbst nach Italien, um sein Studium dort fortzusetzen. Einen Tag nach seiner Ankunft erfuhr er aus der Presse von der Bücherverbrennung an der Berliner Universität.

In Mailand unterstützte ihn zunächst die jüdische Gemeinde, er hatte dennoch Geldprobleme.Außerdem wollte die Universität seine Studiendokumente nicht anerkennen. Kurz darauf zog er nach Pisa, wo die Bedingungen an der Universität günstiger waren.

Schnell musste Max Kleinmann Italienisch lernen, da man, anders als in Deutschland, alle sechs Monate Prüfungen ablegen musste. Er fand sogar eine lukrative Arbeit beim Adjutanten des italienischen Königs, der einen deutschen Muttersprachler suchte. Im Juli 1935 schloss er – mit nur einem Jahr Verzögerung – sein Studium mit der Promotion ab.

Militärdienst und Gelegenheitsjobs

1934 waren Max Kleinmann die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und sein Pass eingezogen worden. Als Staatenloser reiste er im folgenden Jahr noch einmal nach Deutschland, um seine kranke Mutter zu besuchen. Als er sich bei der Gestapo melden sollte, verließ er das Land rasch wieder.

Obwohl er kein italienischer Staatsbürger war, wurde er im Sommer 1935 zum italienischen Militärdienst eingezogen und arbeitete im Militärkrankenhaus in Genua als Pathologe. Ein wohlwollender Vorgesetzter setzte sich für einen Gehaltszuschuss für Max Kleinmann ein, damit er mittags koscher essen gehen konnte, und an jüdischen Feiertagen hatte er frei.

Als Max Kleinmann 1938 aus dem Militär ausschied, erhielt er wegen der nun auch in Italien geltenden antisemitischen Gesetzgebung keine Stelle als Arzt mehr. Durch Zufall fand er Arbeit als Schlachter auf einem italienischen Dampfer, der die Strecke von Genua nach New York fuhr. Er nutzte diese Gelegenheit nicht, um in die USA auszuwandern, da er bereits verheiratet und seine Frau in Italien geblieben war.

Krieg und Nachkriegszeit in Italien

Nach dem italienischen Kriegseintritt im Juni 1940 wurde Max Kleinmann verhaftet und – so seine Erinnerung – in ein italienisches Lager in Salerno bei Neapel gebracht. Ab Sommer 1940 wurden in Italien mehrere Lager für „feindliche Ausländer“, angeblich „gefährliche“ italienische Staatsbürger, aber auch ausländische Zivilisten errichtet. Max Kleinmann überlebte eine Typhus-Epidemie, die im Lager ausgebrochen war, und konnte mithilfe seiner guten Kontakte zur italienischen Armee erreichen, dass er zu seiner Frau kam, die als Zivilinternierte in Süditalien untergebracht war.

Nach dem Sturz Mussolinis im September 1943 wurde Norditalien durch deutsche Truppen besetzt und unter der neuen radikalen faschistischen Regierung begannen nun Deportationen von Juden und Jüdinnen. Max Kleinmann und seine Frau wurden davon glücklicherweise verschont, weil Süditalien kurz vorher von den Alliierten befreit worden war.

Nach dem Fall des italienischen Faschismus 1943 arbeitete Max Kleinmann zuerst für den Völkerbund, dann als Arzt für die amerikanische Besatzungsverwaltung und erhielt 1945 endlich die italienische Staatsbürgerschaft. In Bari, Mailand und Genua organisierte er als Verbindungsmann der jüdischen Hilfsorganisation „Joint“ die Auswanderung von Juden und Jüdinnen aus Italien. In der Schweiz besorgte er Blanko-Affidavits für die USA, die er in Absprache mit dem amerikanischen Konsulat verteilte. Schließlich reisten auch er und seine Frau im Sommer 1948 auf diesem Wege von Italien in die USA aus.

Als Arzt in den USA

In New York bezog die Familie Kleinmann zunächst eine Wohnung in einer ärmlichen Gegend an der East Side. Max Kleinmann fand Arbeit in einem Krankenhaus und legte nach vier Jahren Aufenthalt die staatliche Prüfung ab. Er eröffnete eine eigene Praxis in einem New Yorker Viertel, in dem Deutsch und Italienisch gesprochen wurde, und übernahm zusätzlich im Krankenhaus Nachtschichten. Seine Frau arbeitete im Büro der Praxis. Nach zehn Jahren konnten sie es sich leisten, ein Haus zu kaufen.

Max Kleinmann starb 2008 in Flushing, New York.

 

 

 

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