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Neujahrsempfang des Campus Berlin-Buch im Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie

Grußwort am 18.01.2008

„Neujahrsvorsätze“, so konnte man vor knapp drei Wochen in einer Zeitung lesen, „sind Startschüsse für Rennen, die sowieso nicht stattfinden“. Also hoffe ich zunächst einmal, lieber Herr Rietschel, lieber Herr Detlev Ganten, dear Professor Agre, lieber Herr Birchmeyer, lieber Herr Rosenthal, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, liebe Bucher, daß wir alle, so knapp nach dem Jahreswechsel, heute nachmittag hier nicht schon mit ersten gescheiterten Vorsätzen im Neuen Jahr dastehen, mit Vorsätzen, die wir traditionell in der letzten Nacht des Jahres gefaßt haben, mit Vorsätzen, an denen man leider nur allzuoft scheitert, schnell gefaßt sind sie und bitter ernst gemeint, aber doch rasch verworfen und noch schneller vergessen. Nun muß hier niemand fürchten, daß ich in der kommenden Viertelstunde an die Vorsätze erinnern möchte, die vermutlich jeder und jede unter uns schon einmal in einer Sylvesternacht gefaßt hat und noch vor den ersten Neujahrsempfängen schon so nachhaltig übertreten hat, daß es besser schien, sie gleich ganz zu vergessen – natürlich gibt es einschlägige Untersuchungen darüber, was sich Menschen für ein Neues Jahr vornehmen, darüber muß nicht in Ansprachen auf Neujahrsempfängen gegrübelt werden: Die meisten Menschen wollen (und wollten das übrigens auch schon vor dem Jahreswechsel 2007/2008) das Rauchen einschränken oder einstellen, sich gesünder ernähren, abnehmen, mehr Sport treiben und so weiter und so fort. Und, das sollte man trotz vielfacher gegenteiliger Erfahrung nicht vergessen: Einige Menschen schaffen das sogar. Und um die anderen kümmern Sie sich hier in Buch.

Mich interessiert heute nachmittag eine andere Frage: Können auch Institutionen Vorsätze fassen, beispielsweise die in Berlin-Buch konzentrierten außeruniversitären Einrichtungen, Kliniken und Firmen? Und wir Universitäten, die wir an unseren Standorten vielfältig mit Ihnen zusammenarbeiten? Oder sind manche Berliner Wissenschaftsinstitutionen, insbesondere die Universitäten, so schwerfällig, daß sie lieber gleich gar keine Vorsätze fassen sollten, weil sich an ihnen und in ihnen ohnehin nie etwas ändert? Als ich vor zwei Jahren gerade wenige Tage als Präsident der Humboldt-Universität amtierte, sprach hier auf dem Neujahrsempfang Gottfried Schatz, der frühere Präsident des Schweizer Wissenschafts- und Technologierates. Schatz sagte, daß die Universitäten zu den „konservativsten Institutionen unserer Gesellschaft“ zählen würden und meinte sicher nicht nur Schweizer Hochschulen, wenn er darüber klagte, daß junge Talente in traditionellen Mittelbaustrukturen verheizt würden, Leistungsträger der Universitäten mühsam um finanzielle Anerkennung wie infrastrukturelle Unterstützung ihrer Arbeit kämpfen müßten und so weiter und so fort; einige unter uns werden sich an diese klaren Worte erinnern. An der Berliner Universitäten ist das natürlich ganz anders, wir haben alle diese Schweizer Probleme nicht und haben sie schon gleich gar nicht an der Humboldt-Universität. Also könnten wir ja Vorsätze fassen. Aber welche sollen wir denn fassen?

Mir scheint ein denkbarer Vorsatz, daß wir Berliner Wissenschaftseinrichtungen alle so eng und vertrauensvoll miteinander kopieren, wie Ihnen das hier in Berlin-Buch offenkundig schon gelungen ist. Hier arbeiten Wissenschaftler sehr unterschiedlicher Ausrichtung, Grundlagenforscher und Kliniker, eng zusammen; hier kooperieren Institute aus so grundverschiedenen Institutionen wie es die Helmholtz- und die Leibnizgemeinschaft nun einmal sind, mit Kliniken ganz anderer Rechtsträgerschaft, hier steht ein gläsernes Labor – wie das Dekan Paul einmal so schön formuliert hat – als „Sinnbild des offenen und transparenten Umgangs miteinander“. Daran könnten wir Berliner Universitäten, so scheint mir, uns durchaus ein Vorbild nehmen, daran könnten sich außeruniversitäre und universitäre Einrichtungen orientieren, gerade weil wir ja alle miteinander nicht beim Nullpunkt starten und vielfältige Erfahrungen gelungener Kooperation haben. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, immer wenn ich bei Ihnen zu Gast bin, verstärkt sich meine Ansicht, daß wir uns dessen ungeachtet in jedem Fall vornehmen sollten, noch besser zusammen zu arbeiten.

Was würde denn geschehen, wenn wir in Berlin noch besser zusammenarbeiten? In der letzten Ausgabe der „Zeit“ konnte man die „ganz persönlichen Träume von Universität“ nachlesen, die dort Mitglieder von Universitäten und Wissenschaftspolitiker ausbreiteten; da ich dort meinen Traum von der Humboldt-Universität im Jahr 2018 aufgeschrieben habe, wage ich hier und heute einmal für ganz Berlin und für das Jahr 2008 zu träumen. Es wäre doch wunderschön, wenn wir diesen Vorsatz, noch besser zusammenzuarbeiten, wirklich gefaßt hätten und ihn ein ganzes Jahr lang auch nicht gebrochen oder gar verworfen hätten. Wenn wir im entscheidenden Jahr 2008 die Frage „Sagen Sie doch mal drei Sätze zur Idee einer Superuniversität“ einfach nicht mehr beantwortet hätten und statt dessen tatsächlich nach drei oder vier gemeinsamen Schwerpunkten für die Weiterentwicklung der Berliner Wissenschaftslandschaft gesucht hätten – in Berlin-Buch muß man nicht lange begründen, daß die Lebenswissenschaften zu diesen Schwerpunkten zählen müssen, sicher auch die Physik und die Regionalwissenschaften. Die zunächst einmal bescheidene Zahl von drei oder vier Schwerpunkten läßt sich mit dem Geld aus dem Masterplan anfinanzieren, erlaubt, gemeinsam mit aller Energie weitere Gelder von verschiedensten Mittelgebern einzuwerben. Und dann wäre es wunderbar, wenn in diesem neuen Jahr 2008 unser Vorsatz, noch besser zusammenzuarbeiten, auch die leidigen öffentlichen Diskussionen über die Strukturen unserer Zusammenarbeit im Berliner Wissenschaftsboulevard endlich einmal beenden würde. Wir haben in unserem universitären Zukunftskonzept Integrative Forschungsinstitute vorgesehen (und unsere Gutachter wie unser Kuratorium bestehen auf der Umsetzung dieser Strukturen), in denen universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen eine gemeinsame Institution gründen, eine gGmbH oder eine Stiftung, um schneller und rascher handlungsfähig zu sein. Wir haben vorgesehen, daß an diesen Einrichtungen auch gelehrt wird und – wie auch an anderen Stellen im Exzellenzwettbewerb – verbindliche Verabredungen über eine Vereinfachung der Gremienwege bei Promotionen getroffen werden. Ich habe mich bisher in der allzu lauten und allzu lärmigen Diskussion als Präsident der Humboldt-Universität sehr zurückgehalten, aber Sie ahnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Humboldt-Universität von daher allen Vorschlägen des Berliner Wissenschaftssenators, die in diese Richtung gehen, ebenso offen gegenübersteht wie die Überlegungen der Leibnitz-Gemeinschaft, die Herr Ritschl unter der Überschrift „Leibniz-Campus“ vorgestellt hat. Es wäre doch schon einmal ganz wunderbar, wenn wir für drei oder vier spannende Forschungsgebiete in dieser Stadt eine auch institutionell so enge Kooperation hätten, wie sie unser Modell der Integrativen Forschungsinstitute vorsieht. Natürlich ist auch Herrn Rosenthals Vorschlag einer gemeinsamen Graduiertenschule hier so fein, daß man nur enthusiastisch zustimmen kann und sagen muss: wann geht es los? Die Humboldt-Universität erwartet von einer noch engeren Zusammenarbeit in der Berliner Wissenschaftslandschaft nur Gutes, nämlich gute und bessere Wissenschaft und fürchtet nicht, durch solche Entwicklungen Einfluß, Kontrolle oder Macht zu verlieren, erwartet im Gegenteil eine beträchtliche Steigerung von Berliner Einfluß auf verschiedensten Gebieten. Ich habe seit Oktober letzten Jahres immer wieder darauf hingewiesen, daß wir, wenn wir bei drei oder vier konkreten Forschungsfeldern beginnen, und dazu spannende Ideen wie die gemeinsamen Leibniz-Humboldt-Professuren umsetzen, auch nicht mehr lange über die gemeinsame Dachorganisation streiten müssen: So schlank wie möglich, so stark wie nötig, in jedem Fall mit einem wirklich unabhängigen, international besetzten wissenschaftlichen Beirat, der unabhängig von institutionellen Eifersüchteleien seine Förderentscheidungen trifft und den Senator zugleich in Fragen der Berliner Wissenschaftsentwicklung beraten kann. Sie ahnen also sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, was ich mir vor fast drei Wochen für dieses neue Jahr als Vorsatz vorgenommen habe und worum bitten möchte, daß wir es uns alle vornehmen: nach dem Vorbild des Campus Berlin-Buch noch mehr, noch besser, noch enger zusammenzuarbeiten. Das Rennen, meine Damen und Herren, zwischen den Forschungseinrichtungen findet ja längst weltweit statt; also sollten wir die Neujahrsvorsätze eben doch als Startschuß für uns selbst nehmen, uns noch energischer in dieses Rennen zu begeben.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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