Humboldt-Universität zu Berlin

Humboldt-Universität zu Berlin | Über die Universität | Geschichte | Rektoren und Präsidenten | Christoph Markschies | Reden des Präsidenten | 13ème Conférence de la fédération Internationale des Associations d’Études Classiques

13ème Conférence de la fédération Internationale des Associations d’Études Classiques

Grußwort am 24. August 2009

It's a great pleasure to say to all of you also some warm words of welcome in the name of Humboldt University as her President and Chair of Ancient Christianity and in the name of Berlin Brandenburg Academy of Sciences as her secretary of the class of humanities. We are deeply honoured that you have come to this University in the year of her bicentennial, and I wish you a very pleasant and profitable stay here in Berlin. If you allow me I would like to add a few more words of Greeting in German.

Wir feiern in diesem Jahr nicht nur das dreihundertjährige Jubiläum der heutigen Berlin-Brandenburgischen Akademie, der vormals preußischen Akademie und das zweihundertjährige Jubiläum der vormaligen Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität. Nein, wir feiern in diesem Jahr auch den zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls, der eine Konferenz wie diese in Berlin überhaupt erst wieder möglich gemacht hat, eine Konferenz, in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von vormals im Osten gelegenen Universitäten wie Einrichtungen ganz heiter mit solchen zusammenarbeiten, die vormals im Westen lagen. Darüber, meine sehr verehrten Damen und Herren, und stellvertretend: liebe Frau Reitz, lieber Herr von Staden, lieber Herr Hose, lieber Herr Schmitzer, lieber Herr Gehrke und natürlich lieber Herr Senator Zöllner, muß man kaum Worte machen. Die Metapher von den fallenden Mauern und eingerissenen Zäunen ist aber - mindestens, was die Altertumswissenschaften angeht - in Berlin deutlich älter als jene bewegenden Ereignisse vom November 1989 vermuten lassen. Als Adolf Harnack 1890 in die preußische Akademie aufgenommen wurde, sagte er: "Der Zaun, der früher das Feld der Kirchengeschichte von dem Felde der allgemeinen Geschichte getrennt hat, ist niedergerissen. Für die Bearbeitung beider Gebiete bedeutet der begonnene Austausch die höchste Förderung, er stellt aber auch neue Aufgaben. Wenn es aber dem Kirchenhistoriker der Gegenwart möglich ist, sich außerhalb der eigenen Grenzen auf den Gebieten der römischen Kaisergeschichte und der antiken Philosophie zurecht zu finden, so verdanken sie das in erster Linie der Lebensarbeit zweier Männer … . Es ist mir ein Bedürfnis, … meinen besonderen Dank Herrn Mommsen und Herrn Zeller auszusprechen und ich weiß, daß alle meine Fachgenossen in diesem Danke mit mir übereinstimmen". Und der damalige Sekretar der Klasse, Harnacks Freund Theodor Mommsen, sprach in seiner Replik auf die Antrittsrede des neuen Mitglieds Harnack vom Verschwinden zufälliger Schranken: "Freilich, die zufälligen Schranken, welche zwischen Theologie und Philosophie und Geschichte die Facultätsorthodoxie zu gegenseitigem Schaden aufgerichtet hatte, schwinden hüben wie drüben mehr und mehr vor der mächtig vordrängenden rechten Wissenschaft" (Harnack, Kleine Schriften zur Alten Kirche I, 3f.). Wollte ich die Zeit eines Grußwortes ungebührlich ausdehnen, könnte ich Ihnen nun an einer ganzen Reihe von weiteren Zitaten demonstrieren, wie sehr die entsprechende Metaphorik vom Niederreißen der Zäune, Schwinden der Schranken und Fallen der Mauern die Grundsatzäußerungen einer Generation in diesen goldenen Tagen der Berliner Altertumswissenschaft prägt: Nicht nur Harnack und Mommsen, sondern auch Norden und Jaeger und viele andere, keineswegs nur in Berlin, sondern beispielsweise auch bei Eduard Schwartz in Straßburg und München und natürlich bei anderen und anderswo.

Mir scheint freilich bemerkenswert, daß wenn damals so pointiert vom Niederreißen der Zäune, vom Schwinden der Schranken und vom Fallen der Mauern die Rede war, mit hehren Worten die unverzichtbare Interdisziplinarität beschworen wurde, doch immer ein Zweites im selben Atemzug auch gesagt wurde - es gibt, und das wissen wir Altertumswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen ja nur zu gut -, keine interdisziplinäre Erforschung der Antike ohne hohe disziplinäre Standards. Wohl sind die Zäune niedergerissen und wurden es in den letzten hundert Jahren noch viel mehr, als man damals überhaupt ahnen konnte - aber ohne die strenge epigraphische Arbeit eines Theodor Mommsen, für die Harnack im gleichen Atemzug dankte, könnte niemand die Bilder der spätantiken Kirchenhistoriker Eusebius, Sokrates und Sozomenus über die Christianisierung des imperium mit anderen Quellen kontrastieren. Und ohne Eduard Zellers, Theodor Mommsen gewidmeten dritten Band zur nacharistotelischen Philosophiegeschichte konnte man schlecht die Frage stellen, wie sich die Entwicklung der christlichen Trinitätstheologie zu der der neuplatonischen Prinzipienlehre verhält. Es gibt, das wußte jedenfalls diese Generation und wir wissen es hoffentlich auch noch, allzumal in den Altertumswissenschaften keine entschlossene Interdisziplinarität ohne ebenso entschlossene Disziplinarität. Über "language of the body" können wir nur reden, wenn wir auch die schwierigen Texte studieren, die nun seit rund hundert Jahren im Corpus Medicorum Graecorum et Latinorum ediert werden oder bei den Griechischen Christlichen Schriftstellern, um noch ein zweites traditionsreiches Unternehmen der Berliner Akademie zu nennen.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind neben den Zäunen, an die Harnack und Mommsen, Norden und Jaeger dachten, noch allerlei weitere Zäune gefallen und Schranken geschwunden, wie das dicke Programmbuch unserer Konferenz lehrt - Schranken zur Psychologie und Neurologie, zur Soziologie und allgemeinen Literaturwissenschaft. Aber gleichzeitig haben die zentralen Teildisziplinen der Altertumswissenschaft ihre je spezifischen disziplinären Standards - durchaus im Unterschied zu anderen Geisteswissenschaften - überwiegend nicht verloren. Man muß als Altertumswissenschaftler, als Altertumswissenschaftlerin diese basalen Standards souverän beachten, muß beispielsweise wissen, was in der kaiserzeitlichen Antike sco3lia waren und darf das nicht einfach mit dem neuzeitlichen Begriff "Scholien" durcheinanderwerfen - sonst wird als ebenso sinnvoller wie notwendiger Interdisziplinarität eine schlechte Transdisziplinarität, in der nur mehr alle Katzen grau sind.

Ich wünsche Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren und uns allen, daß keinerlei solches Grau diesen FIEC-Kongreß trüben möge, nicht das graue Einerlei schlechter Wissenschaft, kein grauer Schleier auf dem blauem Himmel schönsten Wetters - nein, ich wünsche nur ebenso delektierende wie nützliche Vorträge, schönstes Wetter bei den Gängen durch die Stadt und anregende Begegnungen untereinander. Nochmals: Seien sie uns alle ganz herzlich willkommen!


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

Kontakt

Abteilung Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement (VIII)

Online-Redaktion

E-Mail: hu-online@hu-berlin.de