Humboldt-Universität zu Berlin

Eröffnung der Pergola am Bebelplatz

Grußwort am 2. Oktober 2007

Pergola heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein kleiner Ort in der italienischen Provinz Pesaro und Urbino auf der Höhe von Ancona; la pergola heißt im Italienischen aber auch eine weinumrankte Laube. In der Pergola des Alten Palais, die wir heute wieder einweihen, kommt beides zusammen – durch den wiederhergestellten Vorbau erhält der Bebelplatz, wie Herr Engel vor einiger Zeit einmal zutreffend bemerkt hat, ein südländisches Flair; eine ganz ungewohnte Atmosphäre in den grauen Steinwüsten, die hier in Mitte vor allem durch die leider weitgehend unzerstörten Bürobauten der Nationalsozialisten entstanden sind, aber auch durch ihre Umgestaltung der im neunzehnten Jahrhundert begrünten Plätze in planierte Aufmarschgelände – der Bebelplatz teilt bis auf den heutigen Tag das traurige Schicksal des Gensdarmenmarktes. Blickt man vom Balkon über dem Hauptportal der Universität auf den Langhansbau, so wird schnell deutlich, daß die Pergola mit ihren vier von Terrakottenköpfen gekrönten Pilastern sozusagen das heitere Gegenstück zu dem Portikus über der Vorfahrt des Palais mit ihren vier kannelierten Säulen war – und nun wieder ist. Der Kontrast zwischen nördlicher Strenge und südlicher Heiterkeit aber ist – da muß man nur ein wenig in Potsdam spazieren gehen – für Preußen charakteristisch, er ist vielleicht der charakteristische preußische Kontrast. Ich erinnere nur an die römischen Bäder mit ihren diversen Pergolen, den im neunzehnten Jahrhundert entsprechend umgestalteten Park von Sanssouci inmitten der Kasernen einer Militärstadt.

Welche Wirkung die Pergola einstmals für das Gebäude hatte, läßt sich dagegen nur schwer sagen. Ob die hellgrün tapezierten Wände des kaiserzeitlichen Arbeitszimmers auf das grüne Laub der Veranda vorbereiten sollten, sich darauf bezogen, ob die Besucher die Laube nach dem Durchqueren der im Laufe der Nutzung unendlich vollgestellten Räume davor – des Arbeitszimmers und der Privatbibliothek – als Erholung empfanden, wird sich kaum mehr feststellen lassen; mit dem Inneren des Gebäudes ist auch seine reiche Ausstattung weitgehend zugrundegegangen. Außerdem ist überliefert, daß der Kaiser die Veranda höchst selten benutzte, eigentlich nur nach dem lebensgefährlichen Attentat des Jahres 1878, als er durch dreißig Schrotkörner in Kopf und Armen schwer verwundet war.

Als ich vor anderthalb beim früheren Senator Thomas Flierl meinen Antrittsbesuch machte, kamen wir auch auf den Wiederaufbau zu sprechen. Flierl, Sohn eines prominenten Architekturhistorikers und –theoretikers, äußerte erhebliche Bedenken – unter anderem befürchtete er die Zerstörung der DDR-Platzgestaltung. Überzeugen konnte ich ihn nicht mit dem Argument, daß es sich um eine großherzige Spende der Stiftung Denkmalschutz Berlin handle (für die wir selbstverständlich von Herzen dankbar sind), sondern nur mit dem Hinweis, daß hier früher nur der Kaiser und die Seinen Kaffee trinken könnten, während nun jeder Studierende dieser Universität sich hier aufhalten kann. Vielleicht ist damit eigentlich erst das Palais ein wirkliches „National-Eigentum“ geworden, obwohl schon am 20. März 1848 ein einfacher Mann diese Worte an die Lindenfront des Gebäudes schrieb – und es damit ein erstes Mal vor Brandschatzung und Zerstörung rettete. Am Ende einer langen Kette von Rettern dieses Hauses steht die Stiftung Denkmalschutz, aber auch unsere technische Abteilung: Herr Engel, Herr de Maizière, Herr Schwalgin: Ihnen allen meinen allerherzlichsten Dank. Mir scheint, daß dieses Gebäude mit seiner Geschichte wie im Brennglas die Geschichte dieser Stadt, dieses Landes, der deutschen Staatswesen repräsentiert – und ich versichere Ihnen, daß wir es pflegen und in Acht halten werden. Denn ein wenig südländisches Flair tut diesem oft so bitter ernsten, durch Wettbewerbe gestähltem und in Leistungskennziffern erstarrten deutschen Universitätssystem gewißlich gut; und wieder gilt: Die Humboldt-Universität zu Berlin schreitet auch auf dem Wege der südländischen Auflockerung der Strenge der norddeutschen Tiefebene voran!

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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