Humboldt-Universität zu Berlin

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18. Arbeitstagung der deutschsprachigen Skandinavistik (ATDS) am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin

18. - 21. September 2007<br />Grußwort am 18. September 2007

„Schelling faselt grenzenlos“ (BoA 62). Mit diesem, höchst ernüchterten Eindruck beendet der frisch promovierte Magister theologiae Søren Kierkegaard ein reichliches halbes Jahr an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität während seines ersten Aufenthaltes in der preußischen Residenz. Im Herbst 1841 war Kierkegaard bekanntlich von Kopenhagen nach Berlin gereist, vor allem, um Schelling zu hören. Wenn man die Einträge seines Tagebuches aus jenen Berliner Monaten liest, ahnt man, warum es so kommen mußte. Mit quasi messianischen Erwartungen und zugleich schwer verstört war Kierkegaard nach Berlin gekommen; zugleich immer noch tief beeindruckt von Regine Olsen und doch überzeugt davon, sie nicht glücklich machen zu können – in dieser verzweifelten Lage hoffte der frisch examinierte Theologiestudent vom Philosophen seelischen Trost: „Nun habe ich meine ganze Hoffnung auf Schelling gesetzt“ (Pap. 179). Wenig ist in den Tagebüchern von Berlin zu lesen, fast nichts über die Wohnungen in der Mittelstraße 61 und der Jägerstraße 57, ein wenig über eine Aufführung des Don Juan mit der Sängerin Hedevig Schulze aus Wien, fast nur Regine Olsen und eben Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Die Demoiselle Schulze fällt auf, weil sie „eine frappante Ähnlichkeit mit einem gewissen jungen Mädchen“ hat – Regine, Regine, Regine allerorten. Und da verwundert es kaum, daß der Philosoph Schelling dem Magister Kierkegaard den Seelentrost nicht zu geben vermag und sich der verzweifelte Kandidat enttäuscht abwendet.

Warum, meine Damen und Herren, begrüßt Sie der Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Leibe nach abwesend, dem Geiste nach anwesend, mit diesem historischen Exkurs über ein mehr oder weniger geglücktes Auslandsstudium? Um Ihnen zunächst einmal zu dokumentieren, daß die Forschungsgegenstände der Skandinavistik tief verwoben sind mit zentralen Ereignissen der Berliner Universitätsgeschichte und Gegenwart. Wenn wir im Vorfeld des zweihundertjährigen Jubiläums dieser Universität vor allem auch die Sichten auswärtiger Universitäten und die Erinnerungen ausländischer Studierender auswerten, um den berühmten fremden Blick auf das Eigene zu studieren, dann werden die oft so engen Beziehungen zu unseren skandinavischen Schwesteruniversitäten einen deutlichen Schwerpunkt dieser Bemühungen bilden. Schelling, aber beispielsweise auch den gern unterschätzten Theologen neben Schleiermacher, Philipp Konrad Marheineke, im Spiegel eines unglücklich verliebten dänischen Theologen zu sehen, hat mehr als anekdotischen Wert.

Zum anderen erwähne ich zu Beginn Ihrer Tagung Kierkegaard, weil ich inständig hoffe, daß Ihnen während Ihrer Tagung die massiven Enttäuschungen des sensiblen Denkers erspart bleiben. Von Schelling – wie gesagt – tief enttäuscht, verbittert über die geringe Zahl an öffentlichen Toiletten, verwundert über das Einspannen von Hunden vor Milchwagen – in „dieser moralischen Stadt“ ist Kierkegaard nicht warm geworden und ich hoffe inständig, daß es Ihnen anders geht. Denn wirklich verändert hat sich Berlin seit der Mitte des vorletzten Jahrhunderts nicht. Wie schreibt Kierkegaard so schön: „Die Strassen sind mir zu breit (...) Man kann nicht von der einen Seite zur andern sehen, behält keinen Überblick über die Vorübergehenden“. Immerhin, einen Lichtblick gibt es bei Kierkegaard: Die Konditorei Sparganapani, in der es köstliche Schokolade und wohlschmeckenden Kuchen für den enttäuschten Touristen aus Dänemark gab: „Wenn das erledigt ist, komme ich zu meinem Conditor, –das Beste, was ich in Berlin gefunden haben. Ein Conditor, der besseren Kaffee hat als man in Kopenhagen bekommt, mehrere Zeitungen, reichlich Bedienung. Solange er in Berlin ist, kann ich nie Heimweh leiden. Aber ich denke schon ans Scheiden. Er wird vermutlich bleiben, aber ich muß ihn einmal verlassen. So geht das Leben; wir treffen einander und lernen einander kennen, wir lernen einander schätzen (das versteht Sparganapani –das ist sein Name –sehr gut), und dann müssen wir scheiden und nichts bleibt unbeglichen“ (November 1841 an Spang).

So begrüße ich Sie an Søren Kierkegaards Berliner Universität, hoffe inständig, daß sie beglückter von uns scheiden als er es tat – hoffe, daß Sie sagen werden: Nichts bleibt unbeglichen und wenigstens Kaffee, Schokolade und Kuchen munden und vielleicht der eine oder andere Vortrag der Tagung, die heute beginnt und der ich einen ebenso anregenden wie angenehmen Verlauf wünsche.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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