Humboldt-Universität zu Berlin

Verleihung des Europäischen Kulturpreises an Wolfgang Huber

Laudatio des Präsidenten der Humboldt-Universität zu Berlin vom 28. November 2010

Droht heute nachmittag Wiederholung, meine Damen und Herren, verehrter Wolfgang, verehrte Kara Huber? Ist nicht zum Abschied des Ratsvorsitzenden und des Berliner Bischofs alles gesagt worden, was zu sagen ist? Hat etwa noch niemand den kraftvollen Prediger und engagierten Ausleger biblischer Texte gerühmt, den klaren Analytiker politischer Situationen, den blitzgescheiten Theologen, den unermüdlichen Vater des Reformprozesses der evangelischen Kirche? Ja, von all' dem war in den letzten Wochen vielfach die Rede bei diversen Gelegenheiten und selbstverständlich mit gutem Grund: Wiederholtes Lob ist ein bescheidenes Zeichen von Dankbarkeit und nicht nur die evangelische Kirche schuldet Wolfgang Huber Dank für das, was er gesagt und getan hat in seinen Jahren als Bischof und Ratsvorsitzender.

Droht also doch Wiederholung? Wird nur rhetorisch aufgeputzt, was wir schon anderswo hören konnten? Ich hoffe natürlich nicht. Denn die Verleihung des "Europäischen Kulturpreises" gibt mir Gelegenheit, einen Aspekt des Wirkens von Wolfgang Huber hervorzuheben, der in den vergangenen Wochen eher weniger thematisiert wurde - ich meine sein ebenso nachhaltiges wie lebendiges Engagement für eine Wiederentdeckung des Zusammenhangs von Protestantismus und Kultur. Und dieser Zusammenhang mußte in der evangelischen Theologie und Kirche erst wiederentdeckt werden, so merkwürdig das vielleicht allzumal zu Beginn der Adventszeit scheinen mag, wenn wieder landauf, landab Musik von Schein, Scheid, Schütz, von Bach und Reger und Klepper musiziert wird und ja keineswegs nur in Kirchen: Und doch mußte der Zusammenhang von Protestantismus und Kultur erst wieder entdeckt werden, weil die Großväter im Angesicht von Krieg und Diktatur die kritische Funktion von Kirche und Theologie gegenüber der Kultur vergessen hatten und so haben die darüber erschreckten Väter, auch die theologischen Väter von Wolfgang Huber, mit dem Begriff "Kultur" nicht mehr viel anfangen können. "Kulturprotestantismus" war in der Zeit, in der Wolfgang Huber in Tübingen und Heidelberg akademisch groß wurde, eher ein Schimpfwort als eine Beschreibung einer genuinen Aufgabe von Theologie und Kirche. Dabei kann man durchaus sagen, daß dem diesjährigen Preisträger des Europäischen Kulturpreises für Theologie eine besondere Aufmerksamkeit für den Zusammenhang von Protestantismus und Kultur in die Wiege gelegt war, jedenfalls dann, wenn man auf seine familiären Traditionen und das Tübinger wie Heidelberger Umfeld der sechziger und frühen siebziger Jahre schaut. Aber kaum jemand hielt damals diese Hintergründe für theologisch bedeutsam.

Wolfgang Huber hat in seiner ebenso sensiblen wie klugen Art, Theologie zu treiben, natürlich in den letzten zehn Jahren nicht einfach den "Kulturprotestantismus" des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts wiederzubeleben versucht, er hat auch nicht versucht, Protagonisten dieser Richtung wie die Berliner Theologen Schleiermacher und Harnack als Heilige zu kanonisieren - das wäre ja auch nur eine schlechte Kopie katholischer Praxis, wiewohl es gegenwärtig da und dort geschieht. Er hat vielmehr ohne den manchmal üblichen rituellen akademischen Vatermord darauf hingewiesen, was an diesen großen Theologen in den letzten rund achtzig Jahren übersehen wurde und versucht, ihnen so Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Zunächst einmal in zahllosen Ansprachen, Vorträgen, Aufsätzen und Buchbeiträgen zum Thema "Protestantismus und Kultur". Und dann auch in der intensiven Begleitung eines Konsultationsprozesses zu diesem Thema gemeinsam mit anderen Kirchen, der nicht nur auf die üblichen Papiere, sondern beispielsweise auch auf die Einrichtung des Amtes einer Kulturbeauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland geführt hat - die Zeit fehlt, weitere, teilweise recht handgreifliche Spuren dieses Wirkens von Wolfgang Huber nachzuzeichnen, dem man durchaus stellenweise kulturprägende Kraft zusprechen kann.

Wenn man auch nur irgendeine Stellungnahme Wolfgang Hubers zu jenem historisch umstrittenen Zusammenhang von Protestantismus und Kultur zur Hand nimmt, fällt, wie ich bereits sagte, das Bemühen um Gerechtigkeit auf, ein Thema, das seine akademische wie kirchliche Tätigkeit von Anfang an durchzieht. Nicht umsonst trägt ein zentrales kirchliches Impulspapier den Titel "Gestaltung und Kritik. Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrhundert": evangelische Kirche und Theologie wird Kultur nie nur affirmativ mit einem milden kirchlichen Segen versehen, sondern auch mit prophetischer Kritik kommentieren und zum Besten der Stadt und des Landes gestalten, ja mit- und umgestalten wollen. Auch dazu hat Wolfgang Huber immer wieder das Wort genommen, die Stichworte sind den meisten unter uns vertraut und brauchen jetzt nicht wiederholt zu werden. Wiederholt werden sollten aber einige Sätze des Preisträgers, die deutlich machen, wo das Zentrum seines gesamten, rastlosen, nimmermüden, fröhlichen Engagements für Kirche und Theologie und eben auch für die Kultur des Landes liegen: "Eine Erneuerung des Verhältnisses von Christentum und Kultur", so hat Wolfgang Huber schon vor einiger Zeit geschrieben, "fängt nicht mit neuen Dialogen zwischen Repräsentanten des Christentums und Repräsentanten der Kultur an. Vor allen derartigen Dialogen, so sinnvoll sie sein mögen, muß der christliche Glaube selbst in seiner spirituellen Kraft und in seinem unaufgebbaren Glaubenswissen wieder wahrgenommen und artikuliert werden". Kraftvolle Artikulation des Glaubens und seiner kulturgestaltenden Kraft - dafür haben wir alle Wolfgang Huber zu danken und dafür wird er ausgezeichnet. Und wir verbinden mit dem Preis die stille Hoffnung, daß sein Engagement auch in diesem Themenfeld keineswegs an ein Ende gekommen ist, er - um zum Schluß nicht mehr restlos ernst zu formulieren - die Buchreihe "Protestantismus und Kultur" nicht nur weiter herausgeben wird, sondern künftig sogar Zeit finden wird, den einen oder anderen Band in ihr zu veröffentlichen. An Lesenden wie Hörenden wird es gewiß nicht mangeln. Vielen Dank.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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