Humboldt-Universität zu Berlin

Laudatio für Philip van der Eijk

anläßlich des Festakts zur Alexander-von-Humboldt-Professur am 11.05.2010

Eine klassische deutsche Universität hat gerade einmal einen Ordinarius für Gräzistik und diese Stelle ist bei jeder Strukturdiskussion von der Streichung bedroht: Wozu noch alte Sprachen in einer globalisierten modernen Welt? An der Humboldt-Universität zu Berlin ist das ganz anders, denn mit Philip van der Eijk, der seit Beginn des Jubiläumsjahres 2010 an unserer Universität lehrt und forscht, verfügen wir gleich über zwei gräzistische Lehrstühle. Wieso?

Seit der Bewilligung des Exzellenzclusters "Topoi. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations" im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs des Bundes und der Länder ist weit über Deutschland hinaus deutlich geworden, was man auch vorher schon wahrnehmen konnte: Berlin ist ein so zentraler Schwerpunkt der Erforschung der alten Welt in einem ganz umfassenden Sinne, daß schon deswegen hier nicht gelten kann, was anderswo gilt: Klassische Editionsprojekte der Akademie der Wissenschaften wie die Aristoteles-Kommentierung oder das Korpus der griechischen Mediziner verbinden sich beispielsweise mit der Erforschung des Religionswandels in der Spätantike und den diversen Transformationen der Antike in den auf sie folgenden Epochen bis in die Gegenwart. Geisteswissenschaftler kooperieren mit Naturwissenschaftlern, Praktiker in Museen und Laboren mit Theoretikern und Archivaren. Die Humboldt-Universität zu Berlin ist in diesem lebendigen Netzwerk, zu dem neben der Akademie auch die Schwesteruniversitäten, die Museen der Stiftung preußischer Kulturbesitz und das Deutsche Archäologische Institut gehören, insbesondere der Ort, an dem die antike Philosophiegeschichte und die antike Wissensgeschichte einen besonderen Schwerpunkt bilden - ich nenne nur die Graduate School of Ancient Philosophy, den Sonderforschungsbereich "Transformationen der Antike" und das wissenschaftsgeschichtlich ausgerichtete August-Boeckh-Antikezentrum und erwähne abschließend mit aller gebotenen Bescheidenheit auch die Erforschung des antiken Christentums als einen wichtigen Berliner Schwerpunkt, dazu die Lebenswissenschaften in einem umfassenden Sinne des Begriffs.

Bald nach der Ankündigung des so großartigen Programms der "Alexander-von-Humboldt-Professuren" durch die Stiftung war für die Verantwortlichen klar, daß mit Hilfe dieses Programms nun eine kühne Hoffnung Realität werden könnte - die Hoffnung, den starken philosophiegeschichtlichen Schwerpunkt der Humboldt-Universität durch einen starken wissensgeschichtlichen zu ergänzen und damit im spannenden Berliner Umfeld, das insbesondere durch das einschlägige Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte geprägt wird, einen weiteren unentbehrlichen Baustein für eine Antikeforschung im umfassenden Sinne zu setzen und zugleich für die lebenswissenschaftliche Orientierung des Profils unserer Universität die unentbehrliche historische Fundamentierung zu liefern. Daß unter diesen Umständen der niederländische, in England lehrende Kollege Philip van der Eijk die erste Wahl sein würde, bedarf unter Fachgelehrten keiner ausführlichen Erläuterung. Mit seiner zweibändigen Edition, Übersetzung und Kommentierung des griechischen Mediziners Diokles von Karystos hat er nicht nur für die Erforschung der Medizingeschichte im engeren Sinne Standards gesetzt; der gern als "zweiter Hippokrates" bezeichnete mutmaßliche Aristoteles-Schüler eignet sich in besonderer Weise für eine interdisziplinäre, insbesondere zur Philosophie-, aber auch zur Sozialgeschichte hin offene Erforschung auf strenger philologischer Basis. Eine gleiche methodische Weite, die trotzdem den disziplinären Standards verbunden bleibt, charakterisiert auch die im Rahmen der deutschen Aristoteles-Ausgabe erschienene Kommentierung der aristotelischen Schriften De Insommniis und De Divinatione per somnum; sie stellt nicht nur für die klassische philosophische Debatte über die Seelentheorie und die Traumforschung einen Meilenstein dar. Der Titel eines im Jahre 2005 in Cambridge erschienen Bandes markiert die weiten Interessen van der Eijks, die ihm zu Recht im selben Jahr eine reine Forschungsprofessur in Newcastle eintrugen: "Medicine and Philosophy in Classical Antiquity. Doctors and Philosophers on Nature, Soul, Health and Disease"; wer sich für das antike Christentum interessiert, wird auch für die kommentierte Edition der Schrift De natura hominis des Nemesius von Emesa tief dankbar sein, die van der Eijk im Jahre 2008 gemeinsam mit Robert W. Sharples drei Jahre später herausbrachte.

Fünf Monate, nachdem Philip van der Eijk nach Berlin umgezogen ist und seine Arbeit an der Humboldt-Universität aufgenommen hat, kann ich dankbar bezeugen, daß er aufgrund seiner herausragenden Qualifikationen, aber auch aufgrund seiner großen persönlichen Liebenswürdigkeit und energischen Tatkraft schon ein ganz selbstverständlicher Teil des erwähnten Berliner Netzwerks geworden ist: Weder im berühmten Medizinerkorpus der Berlin-Brandenburgischen Akademie noch in den verschiedenen Haufen der Berliner Altertumswissenschaften noch in den genannten Profilbereichen unserer eigenen Universität könnte man sich das Leben ohne seine Impulse überhaupt noch vorstellen. Und dafür ist, das betone ich gern, nicht zuletzt auch der Alexander-von-Humboldt-Stiftung sehr herzlich zu danken.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

Kontakt

Abteilung Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement (VIII)

Online-Redaktion

E-Mail: hu-online@hu-berlin.de