Humboldt-Universität zu Berlin

Humboldt-Universität zu Berlin | Über die Universität | Geschichte | Rektoren und Präsidenten | Christoph Markschies | Reden des Präsidenten | Grußwort des Präsidenten für Horst Bredekamp anlässlich seines 60. Geburtstages

Grußwort des Präsidenten für Horst Bredekamp anlässlich seines 60. Geburtstages

5. Mai 2007

Über Horst Bredekamp, lieber Horst Bredekamp, etwas zu sagen, was hier im Saale nicht seit Jahren längst alle wissen, oder was KLM – Krull, Macho, Labuda – gleich noch sagen werden, ist nicht ganz einfach. Außerdem wäre ein langweiliges Grußwort für einen so originellen Zeitgenossen, für einen Menschen, der beständig neue Ideen hat, ein wahrhaft barbarisches Geburtstagsgeschenk, ein elendes Zeichen eines dramatischen Verfalls derjenigen Universität, die Horst Bredekamp so sehr am Herzen liegt und für die er sich seit vierzehn Jahren wie kaum ein anderer eingesetzt hat. Ich gestehe Ihnen, verehrte Damen und Herren, gleich zu Beginn, daß mir der angesichts dieses klugen Auditoriums und dieser ausgesuchten Gästeschar höchst prekäre Originalitätswert eines präsidialen Grußwortes erhebliche Sorgen gemacht hat, solche Sorgen, daß heute mittag ein weiteres Geburtstagsessen – nämlich das meines eigenen Vaters – nahezu ausschließlich Person und Œuvre Horst Bredekamps gewidmet war und Eltern, Bruder samt Freundin und Ehefrau bei feinsten Hechtklößchen mit großem Nachdruck um Ideen für die eigene Ansprache gebeten wurden. Natürlich: Nicht alle Anregungen der versammelten Kompetenz von einem Literaturwissenschaftler-, Kunsthistoriker- und Theologenpaar waren wirklich verwertbar. Daß meine Mutter noch heute von einem Bredekampschen Vortrag über Himmelskörper begeistert ist, den sie vor Jahren gehört hat, sagt allerlei über die Wirkungen seiner ziselierten Texte – aber es sind ja wohl nicht zuletzt eben diese Wirkungen, von denen wir alle zehren, sonderlich originell ist meine Mutter da also, mit Verlaub, nicht. Mein Bruder erzählte, während Mailänder Kalbsröllchen serviert wurden, eine nette Anekdote: Man habe 1992 zu Bonn am Rhein geglaubt, Horst Bredekamp zur Annahme eines Rufes auf das dortige Ordinariat locken zu können, indem man ihn während der Verhandlungen auf die vollständigen Bestände der „Stimmen aus Maria Laach“ in der Bibliothek des Kunsthistorischen Instituts der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität hinwies. Das wird zwar mutmaßlich nicht jeder hier im Saal wissen – aber angesichts des schroff ultramontanen Profils der „Stimmen“ zweifelt der Historiker Markschies erstens ein wenig am Quellenwert der Anekdote des Kunsthistorikers Markschies und zweitens ist uns allen ja klar, daß schon in der Marburger Dissertation über „Bilderkämpfe von der Spätantike bis zur Hussitenrevolution“ eine abundante Menge von Quellen zitiert wird und das ist bis auf den heutigen Tag ja auch so geblieben, Thomas Hobbes, Gottfried Wilhelm Leibniz, Charles Darwin. Die Freundin meines Bruders, als Mitarbeiterin der Staatlichen Museen mit der Vorbereitung großer Ausstellungen beschäftigt, riet, auf die große Ausstellung „Wunderkammern des Wissens – Theatrum Naturae et Artis“ hinzuweisen, in deren Rahmen im Jahre 2001 im Gropiusbau die Sammlungen der Humboldt-Universität präsentiert wurden – aber durch die neue Debatte über das Humboldt-Forum, die seit reichlich zwei Wochen tobt, ist ja nun auch dem Letzten klar geworden, daß eben diese Idee Horst Bredekamps, Universität und Museum zu einer Einheit verbinden, die von vielen so lang gesuchte gemeinsame Leitidee für die Bebauung des Schloßplatzes darstellt. Also auch nicht gerade ein Zeichen sonderlicher Originalität, dies in den Mittelpunkt präsidialer Begrüßung zu stellen.

So entschloß ich mich während der vorzüglichen Rhabarbercreme an Erdbeeren, die als Nachspeise beim Geburtstagessen meines Vaters serviert wurde, vielleicht doch meinen Geburtsgruß für Horst Bredekamp, das präsidiale Geburtsgrußwort nicht mit geborgten Ideen von Literaturwissenschaftlerinnen und Kunsthistorikern zu bestreiten, sondern aus dem Eigenen, als Theologe im Präsidentenamt. Und schritt mit vollem Bauch die Regale der eigenen Bibliothek ab und die Kästen mit den Sonderdrucken – und begriff erneut, lieber Herr Bredekamp, daß Sie in den vergangenen vierzehn Jahren hier in Berlin und davor in Marburg, Frankfurt und Hamburg ja nicht nur die Kunsthistoriker das Sehen gelehrt haben. Sondern auch uns Theologen. Wer kannte denn noch Ferdinand Piper, selbst an dieser Universität, an der Piper 1842 außerplanmäßiger Professor wurde und an der er 1850 das christlich-archäologische Museum gründete? Bredekamp hat 1978 Pipers „Einleitung in die Monumentale Theologie“ von 1867 der Vergessenheit entrissen, ihren Nachdruck kundig eingeleitet und mit neuen Registern versehen; lange Jahre vor dem Wechsel nach Berlin also das Thema der Berliner Universitätssammlungen wieder auf die Tagesordnung gesetzt und einer am Wort orientierten evangelischen Theologie das Bild auf die wissenschaftliche Agenda gesetzt. Der zu Unrecht vergessene Piper als ein hoch interessanter Gegenentwurf zum Konfessionalismus der Fakultät Marheineckes, als idealistischer Gegenentwurf zum Historismus der preußischen Schule, als beachtenswerte Individualität jenseits des Mainstreams – in dem Einsatz für den Berliner Extraordinarius Ferdinand Piper ist viel von Bredekamps wissenschaftlicher Leidenschaft, von seinem wissenschaftlichen Programm zu spüren. Mancher Text, mancher Aufsatz, manches Buch wäre aus der Perspektive des Theologen noch hervorzuheben: Von der Dissertation „Kunst als Medium sozialer Konflikte“ war schon die Rede, sie enthält viele Kostproben Bredekampscher Beschreibungskunst, beispielsweise mit der sensiblen Analyse des Grundrisses der Prager Bethlehemkapelle als eines ‚antiliturgischen und antikatholischen Körpers’, nun wäre Vieles aus den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu nennen, ich erwähne lediglich das wunderbare Kapitel über den ‚freskierten Nepotismus’, über Melozzo da Forlis vatikanisches Bibliotheksfresko im Buch über Sankt Peter und – gerade frisch publiziert: „Vom Birett zum Camauro“, tiefsinnige Bemerkungen zu Gestalt und Präsentation päpstlicher Kopfbedeckung samt den Rückschlüssen, die aus all’ dem über die Theologie des Papstamtes zu gewinnen sind. Wenn der Kunsthistoriker dem Theologen vorführt, welche Beiträge seine eigene Wissenschaft zu einer erneuerten Bildwissenschaft zu leisten hätte – ja, meine Damen und Herren, dann wird der Theologe stumm.

Aber eines muß er vor dem Verstummen noch sagen. Zwei Sätze Horst Bredekamps sind mir aus vielen, für die ich dankbar bin, besonders tief in Erinnerung. „Ich bin metaphysisch erschüttert“, hat er vor reichlich einem Jahr zu mir, angesichts einer schroffen Kritik an einer seiner Bücher. Und vor wenigen Tagen hat er einer Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern, die unter seiner Leitung arbeitet, bescheinigt, die Zusammenarbeit sei von „metaphysischer Qualität“ gewesen. Als Theologe, meine Damen und Herren, meint man zu wissen, was das sei: Metaphysik. Und ahnt, probeweise jene Bedeutung auf diese Sätze applizierend, es sei nicht ganz die Bedeutung, in der Horst Bredekamp das nämliche Wort verwendet. Wenn ich recht sehe, meint metaphysische Erschütterung wie metaphysische Dichte der Zusammenarbeit ein Phänomen, daß nicht draußen, an der Oberfläche oder gar in der beobachteten Natur bleibt, sondern danach, dahinter blicken läßt, auf der eigenen Haut brennt, in der eigenen Seele zu spüren ist. Und so scheint mir dann, in eben dieser besonderen Verwendung eines etablierten Begriffs der alteuropäischen Tradition hätten wir wieder sehr viel von dem wie unter dem Brennglas in den Blick genommen, was den Jubilar auszeichnet, womit er uns so wunderbar anregt und was er der Humboldt-Universität zu Berlin mit solcher Intensität schenkt. Sie dankt ihm dafür – lieber Herr Bredekamp, ich danke dafür. Sehr tief.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

Kontakt

Abteilung Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement (VIII)

Online-Redaktion

E-Mail: hu-online@hu-berlin.de