Humboldt-Universität zu Berlin

Rede vor dem Konzil der Humboldt-Universität

23. Oktober 2007

Sehr geehrte Frau Schütze, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, meine Damen und Herren,

die Situation unserer Universität nach den Entscheidungen am 19. Oktober und die Konsequenzen, die wir meiner Ansicht nach daraus ziehen sollten, möchte ich in drei kurzen Schritten beschreiben: Ich beginne mit drei Bemerkungen zur Situation nach den Entscheidungen, ziehe daraus drei Konsequenzen und schließe mit drei Bemerkungen zu den unmittelbar nächsten Schritten, die wir gemeinsam unternehmen sollten.

Einleitend drei Bemerkungen zur gegenwärtigen Situation:

  1. Wir haben gleichzeitig Anlaß zur Freude und zur Trauer; mit der Freude möchte ich beginnen, weil ich dezidiert nicht möchte, daß davon heute gar nicht die Rede ist. Wir haben am 19. Oktober zwei Graduiertenschulen – die Berlin Graduate School of Social Sciences, Sprecher Gert-Joachim Glaeßner und die Berlin-Brandenburg School of Regenerative Therapies, Sprecher Georg Duda – gewonnen, ferner gemeinsam mit der Freien Universität die beiden Exzellenzcluster NeuroCure, Sprecher Dietmar Schmitz, und Topoi, Sprecher Friedrike Fless und Christof Rapp; Wissenschaftler unserer Universität sind außerdem maßgeblich am Cluster Unifying Concepts of Catalysis der Technischen Universität beteiligt. Diese Erfolge sind schon für sich ein Anlaß zur Freude und zum besonderen Dank an alle, die unter teils unsäglichen Mühen diese Initiativen vorbereitet und getragen haben. Nimmt man die Erfolge der ersten Runde des Wettbewerbs hinzu, die Graduiertenschule Mind and Brain, Sprecher Arno Villringer und Dominik Perler, und die gemeinsam mit den anderen Universitäten getragene Berlin Mathematical School, für die auf unserer Seite Jürg Kramer als Sprecher fungiert, so haben wir nach amtlicher Zählung als Humboldt-Universität drei Punkte für Graduiertenschulen und einen Punkt für Cluster eingeworben, macht – in Deutschland nur noch übertroffen durch die Freie Universität und die Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg mit jeweils fünf Punkten [1] . Über allem, was zur dritten Säule zu sagen ist, sollten wir diesen Erfolg nicht vergessen und in den Dank für die erfolgreichen Antragstellerinnen und Antragsteller möchte ich – wie am Freitag – alle Mitarbeiter in den Ressorts der Vizepräsidenten und in meinem eigenen Ressort einschließen, hier wurde vorzügliche Arbeit geleistet. Andere Initiativen unserer Universität sind teilweise sehr, sehr knapp gescheitert, auch den für diese Cluster und Schulen verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen möchte ich ganz herzlich danken; wir möchten diese Initiativen weiterverfolgen und der Masterplan des Senators Zöllner reserviert für solche Initiativen 10.000.000 € jährlich.
  2. Gleichzeitig sind die meisten unter uns aber auch sehr traurig darüber, daß das Zukunftskonzept „Translating Humboldt into the 21st Century“ nicht gefördert werden soll. Noch kennen wir das Gutachten der Gruppe, die uns im vergangenen Juni begangen hat, nicht. Trotzdem müssen wir keine Kaffeesatzleserei in der Gerüchteküche durchführen, denn Senator wie Staatssekretär sind explizit von der Schweigepflicht entbunden worden und haben sich in den letzten Tagen geäußert. Ihre Äußerungen möchte ich zur Grundlage meiner Analyse machen. Laut Staatssekretär Husung haben die Gutachter unser Konzept einen mutigen Plan mit breiter Unterstützung der Universität genannt und dem Institut für integrative Lebenswissenschaften Modellcharakter bescheinigt. Nach übereinstimmender Auskunft von Husung und Zöllner haben wir dann schlußendlich nicht den Zuschlag erhalten, weil wir aufgrund der bekannten Vorgeschichte nur ein Jahr zur Ausarbeitung eines vollständig neuen Vorantrags und Antrags hatten, während alle anderen Universitäten auf den Konzepten der erste Runde aufbauen konnten und viele auch bereits eine erste Begehung hinter sich bringen konnten. Staatssekretär Husung wörtlich: „Wäre der Antrag zwei Jahre später eingereicht worden, wäre das Urteil noch besser ausgefallen“. Entsprechend wurde nach jetzigem, vorläufigen Stand von den Gutachtern zum einen kritisiert, daß wir nur ein integratives Forschungsinstitut wirklich ausgearbeitet haben – das für Lebenswissenschaften – und die anderen Skizze geblieben sind, zum anderen an einigen Stellen die letzte Präzisierung fehlte. Diese letzte Präzision haben aber die Anträge unserer Konkurrenten aufgrund der deutlich längeren Vorlaufzeit offensichtlich aufgewiesen.
  3. Selbstverständlich ist bei einem abgelehnten Antrag die Frage legitim, wie man es hätte besser machen können. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, daß wir – wie ich schon gesagt habe – nach der Ablehnung des Vorantrages im Januar 2006 getan haben, was wir konnten – weitere Institute in der Qualität unseres lebenswissenschaftlichen konnten so schnell nicht aus dem Boden gestampft werden und für noch präzisere Aufstellungen im Antrag hat die Zeit einfach nicht gereicht. Wenn ich in einer ersten Reaktion am letzten Freitag auch davon gesprochen habe, daß die Humboldt-Universität vor siebzehn Jahren „vollkommen umgebaut wurde“, dann wollte ich selbstverständlich nicht behaupten, daß man damals bei Null begonnen hat und bin auch weit davon entfernt, die wissenschaftliche Arbeit insbesondere von Naturwissenschaftlern in der alten DDR gering zu schätzen – sind sie doch zu nicht unerheblichen Teilen an der Ausarbeitung der Exzellenzanträge beteiligt gewesen. Aber wir alle wissen, daß der Neuaufbau vor siebzehn Jahren zunächst sehr energisch begann, dann bald gestoppt wurde und die ganze Universität durch zwei Kürzungsrunden mit den bekannten Folgen erschüttert wurde, die Horst Bredekamp einmal so eindrücklich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschrieben hat.

Nun in einem angekündigten zweiten Schritt meiner Ausführungen die drei Konsequenzen:

  1. Auch wenn das Gutachten noch nicht vorliegt, kann man sagen, daß die Grundlinien unseres Zukunftskonzeptes „Humboldt ins 21. Jahrhundert übersetzen“ nicht nur bestätigt, sondern sehr gelobt worden sind. Es wäre also ganz falsch, die Grundausrichtung unserer Universität zu ändern und ein neues, abweichendes Zukunftskonzept zu erstellen. Allerdings müssen wir, wenn das Gutachten vorliegt, vermutlich an der einen oder anderen Stelle präzisieren.
  2. Gutachterliches Lob erhielt insbesondere das Konzept eines „Forschungsinstitutes für Integrative Lebenswissenschaften“, dem nach Auskunft des Staatssekretärs ein zukunftsweisendes Forschungsprogramm und eine modellhafte Struktur bescheinigt wurden. Wir sollten also unbedingt nach der Konstituierung eines Beirates und der Nominierung von Karl Einhäupl als Direktor die nächsten Schritte zu seiner Etablierung unternehmen und uns um eine Finanzierung kümmern.
  3. Gleichzeitig müssen Initiativen zur Einrichtung weiterer integrativer Forschungsinstitute unternommen werden, schließlich gilt auch hier: nach dem Spiel ist vor dem Spiel, meint: nach dem Exzellenzwettbewerb ist vor dem nächsten Exzellenzwettbewerb. Ich freue mich besonders, daß Herr Linscheid und viele andere hier gemeinsam mit unseren außeruniversitären Partnern an einem integrativen Institut für Adlershof (ISA) arbeiten. Analoges sollte in Mitte im Bereich der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften geschehen.

In einem dritten und letzten Schritt meiner Ausführungen möchte ich drei Bemerkungen zu den unmittelbar nächsten Schritten, die wir gemeinsam unternehmen sollten, vortragen:

  1. Niederlagen müssen analysiert werden, damit man aus ihnen lernen kann. Wir werden das Gutachten von DFG und Wissenschaftsrat sofort nach Eingang möglichst breit – im Kuratorium, im Akademischen Senat, bei den Dekanen – und möglichst offen diskutieren, um unserer Zukunftskonzept in allen Teilen auf das Niveau der acht ausgezeichneten Universitäten zu bringen, die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Wir sollten daher auch noch einmal unsere Stärken- und Schwächen-Analyse hervornehmen und fragen, was sich in den vergangenen Jahren bewährt hat und woran wir noch arbeiten müssen, damit dieses Mal der Vorlauf für einen neuen Exzellenzantrag deutlich länger dauert als ein reichliches Jahr. Außerdem sollten wir konsequent auch schon vor der Ausrufung des entsprechenden Wettbewerbes an einer Exzellenzinitiative Lehre arbeiten, um auf diese Weise auch bisherige Kritiker des Prozesses in die anstehenden Schritte der Universitätsreform zu integrieren.
  2. Wir sollten – so das Gutachten nichts anderes sagt – aber an unserem Zukunftskonzept mit aller Energie festhalten und versuchen, es auch mit deutlich weniger Mitteln umzusetzen, als wir vor dem 19. Oktober erhofft haben. Allerdings wird eine Prioritätensetzung nach dem Maß unserer finanziellen Möglichkeiten notwendig. Wir müssen dabei keinesfalls gegenüber den acht ausgezeichneten Universitäten in schwere Nachteile geraten; beispielsweise, wenn wir bei anstehenden Neuberufungen auch auf jüngere Nachwuchstalente setzen, die eine spannende Entwicklung versprechen – um diese zu identifizieren, brauchen wir die Mithilfe aller in der Universität, die Hilfe der Freunde unserer Universität in den deutschen Wissenschaftsorganisationen und im Ausland. Durch noch stärkere Vernetzung – beispielsweise in einem Zentrum für Regionalwissenschaften oder in einem Adlershofer Institut – können wir ein Stück kompensieren, was wir aus eigenen Kräften nicht aufbauen können.
  3. Für eine große Depression ist also kein Anlaß; wir erhalten pro Jahr allein aus dieser Runde des Exzellenzwettbewerbs rund zehn Millionen Euro zusätzlich, mögliche Masterplan-Mittel nicht eingerechnet. Schließlich ist die Schwesteruniversität in Dahlem in den neunziger Jahren angesichts der Geldmittel, die nach Mitte flossen, auch nicht in Depression verfallen und hat sich aus eigener Kraft aus dem Sumpf gezogen. Wir haben, um dies noch einmal am Schluß zu sagen, im Wettbewerb nach dem gegenwärtigen Stand der Kenntnis über die Diskussion der Gutachter auf verschiedenen Ebenen, getan, was wir konnten. Vor der Veröffentlichung der Gutachten sollte ohnehin keine Großdebatte über das Zukunftskonzept dieser Universität ausbrechen; nach allem, was wir bisher von der Begutachtung unserer Anträge wissen, gibt im übrigen dazu auch keinen Anlaß. Wir sind, wie der Vorsitzende des Wissenschaftsrates und der Deutschen Forschungsgemeinschaft ja noch einmal bestätigt haben, eine sehr gute Universität mit vielen exzellenten Bereichen, die das Potential hat, international konkurrenzfähig zu werden. Dieses Potential sollten wir gerade auch nach den Entscheidungen des 19. Oktober gemeinsam entschlossen nutzen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität


[1] Matthias Kleiner (22.10.2007): „Mit vier bewilligten Projekten ist die HU eine der erfolgreichsten Universitäten im Wettbewerb gewesen“.

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