Humboldt-Universität zu Berlin

Geburtstag von K.G. Saur

Festrede am 29. September 2008

Worte für Klaus G. Saur am 29. September 2008

A wie abäugeln - nein, liebe festliche Versammlung und vor allem lieber Klaus Saur und liebe Frau Saur, so lieber nicht beginnen. Wenn der Meister des laudatorischen Alphabets zu loben ist, sollten sich die Gesellen lieber nicht in diesem Genre versuchen. Auch dann nicht, wenn ein großes Inventarwerk im Geiste des Verlegers Saur, überraschenderweise schon rund hundert Jahre vor seiner Geburt vom todesmutigen Verleger Salomon Hirzel gegründet, reichlich Material für ein Saursches Alphabet böte und "abäugeln" ganz gewiß der erste einschlägige Begriff ist - aber auch so darf ich natürlich niemals beginnen. Selbst wenn sich vom Verleger des Wörterbuchs der Brüder Grimm, vom nämlichen Salomon Hirzel, vergleichsweise leicht Brücken ins Leipziger Verlegermilieu und noch leichter zum Berliner Georg Andreas Reimer schlagen ließen - wenn der Meister der anekdotischen Verlagsgeschichten zu loben ist, sollten sich die Gesellen lieber nicht in diesem Genre versuchen. Also bloß kein Alphabet, ja keine Dilettantenexkurse in Verlagsgeschichte - und was dann? Der heute zu Lobende ist ein Meister vieler Genres - leider auch ein Meister des autobiographischen Genres. Wenn ein solcher Meister zu loben ist, werden die Gesellen unweigerlich fehlen, müssen die Gesellen fehlen - indem sie mindestens eine unter vielen schlechterdings entscheidenden und durchschlagenden Geschäftsideen ignorant vergessen, mindestens eine besonders ehrenvolle Senatorenwürde liederlich unterschlagen, mindestens eine Völker besonders tief verbindende Bücherspende luschig auslassen: Ehrenbürger, Ehrendoktor, Ehrenmitglied, Ehrensenator - was das Grimmsche Wörterbuch sub voce notiert, hat er empfangen und noch viel mehr dazu. A wie Auszeichnung, E wie Ehrenprofessor. Und wer je das Vergnügen hatte, in der Genthiner Straße oder anderswo die Geschichte des Hauses vom erwähnten Georg Andreas Reimer, Schwiegervater des gleichfalls erwähnten Hirzel, bis auf den heutigen Tag vorgestellt zu bekommen, ahnt, wie schwer man als Geselle insbesondere die Teleologien des Meisters hinbekommt, jene kaum spürbaren Teleologien in der Autobiographie, die alle Verlagsgeschichte, ja die Geschichte des Buches überhaupt fein und dezent, aber im Ergebnis doch deutlich bei Klaus G. Saur enden läßt. Also heute abend auch keine bemühte, aber ganz gewiß unvollständige, angemessener Teleologie entbehrende Biographie des Jubilars, ja keine Dilettantenexkurse in Verlegergeschichte, ebenso wenig wie in Verlagsgeschichte und laudatorischen Alphabeten.

Wovon aber dann reden? Vielleicht - das bietet sich ja in Berlin-Mitte an - von den Erfahrungen eines lesenden Arbeiters im Präsidentenamt mit dem Verleger Klaus G. Saur und den Fragen, die sich aus solchen Erfahrungen ergeben? Meine erste Begegnung als Leser mit dem Verleger Klaus Saur datiert auf den ersten Tag meines Studiums - Sie ahnen das: Einführung in das Bibliographieren in der Universitäts- und in der Fakultätsbibliothek. Studienbeginn mit K.G. Saur. D wie Deutsches Biographisches Archiv. G wie Gesamtverzeichnis. K wie Kürschner. Und so weiter und so fort. Friedrich Pfäfflin hat das wunderbar als "ein enzyklopädisches Weltreich" bezeichnet, in dem wie einst bei Karl die Sonne nicht untergeht. Frage: Was für ein Großprojekt wird er nun beginnen, da der Verlag in Genthiner Straße flott gemacht wurde, das schwankende Schifflein zu einem majestätisch die Meere pflügenden Großsegler sich gemausert hat? Meine nächste intensivere Begegnung mit Klaus Saur begann mit einem kräftigen Erschrecken. Sie ahnen: Wer wie ich kaum etwas lieber tut, als in antiken Texten zu lesen, und in wessen Arbeitszimmer daher zwei Farben im Bücherregal dominieren - Orange und Blau, der zuckte zusammen, als eines Tages von eben jenen orangenen und blauen Bändern das typographisch so eindrückliche Signet Benedictus Gotthelf Teubners verschwand. Sorgte sich, ob sein eigenes oranges Bändchen wohl nun den Weg in die schrecklichen Ramschantiquariate oder gar schlimmere Wege antreten müsse. Hätte ich damals schon gewußt, daß der Verantwortliche solchen Verschwindens schon seit Jahren aufsichtsrätliche Verantwortung für den Verlag eines engen Freundes von Teubner trug - Sie wissen alle, daß ich Friedrich Arnold Brockhaus meine - dann wäre mir eher deutlich gewesen, daß auch in diesem Fall der einstige Leipziger Student der Rechte recht behalten hat: "Name ist Schall und Rauch". Wichtig ist ja allein, daß auch hier wieder einmal Klaus Saur ein großes altes Unternehmen vor dem Ruin gerettet hat, aus den Fängen einer Familie, die es, wenn ich das recht weiß, eher als Appendix zu einer Banknotenpapierdruckerei führte. Und typographisch betrachtet ist das Aufstapeln von Büchern im Verlagssignet ja mindestens so elegant wie das Aufstapeln der Buchstaben B - G - T.; der vor seinem Bücherregal sinnierende Autor der Biblioteca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana erkennt das dezente Signet aus der Ferne ohnehin nicht, zumal bei näherer Betrachtung die orangenen und blauen Bände übrigens bisweilen ja noch ein drittes Verlagssignet tragen, ein merkwürdig verschlungenes "O", das Signet eines bekannten Hildesheimer Verlagshauses. Wenn ich so weiterrede, meine Damen und Herren, droht aber wieder Gefahr der billigen Gesellenkopie von ungleich perfekteren Werken des Meisters. Denn natürlich könnte ich jetzt beispielsweise weiter über Brockhaus und Teubner parlieren, einst und heute, ante und post. Ihnen beispielsweise die schöne Geschichte erzählen, daß 1813 bei der Völkerschlacht von Leipzig Teubner von Marodeuren eine Kuh erhandelt hatte, sie nach dem Keller des Reichelschen Gartens (also dem Wohnhaus von Brockhaus trieb) und sie dort schlachtete. In der Teubner-Festschrift von 1911 heißt es weiter: "der Mediziner Puchelt zerlegt sie kunstgerecht, und Brockhaus sorgt für die Zubereitung. Die schon bestehende Geschäftsverbindung zwischen Brockhaus und Teubner schließt sich währenddem enger". Frage: Sind die wunderbaren Essen, zu denen Klaus Saur in die Genthiner Straße und in viele andere ausgesuchte Örtlichkeiten lädt, nun eine direkte Folge seines immensen verlagsgeschichtlichen Wissens? Ist er gar in seiner kurzen Zeit ein Reimer Redivivus geworden, der er schon ein Teubner Redivivus war? Oder sind die Essen nur ein kluger Rat einer klugen Ehefrau, wie schon bestehende Geschäftsverbindungen enger geknüpft werden können? Und wo werden wir uns mit ihm das nächste Mal sehen? "So viele Berichte, so viele Fragen".

Wenn der Geselle den Meister also nicht durchs Alphabet loben sollte, nicht durch Verlags- und auch nicht durch Verlegergeschichte - dann könnte er ihn ja wenigstens als Hausherr in diesem - aber da stock' ich schon - wunderschönen Saal loben. Als Präsident der Einrichtung, an der Klaus Saur nicht nur als Honorarprofessor wirkt, an der es vielmehr auch eine von ihm gestiftete "Klaus G. Saur-Bibliothek" gibt. Auf der Homepage dieser Einrichtung kann man die verheißungsvollen Worte lesen "Die Bibliothek ist wochentags fast immer offen" und "die Bibliothek steht prinzipiell allen Interessierten offen". Wie üblich eilt die virtuelle Realität der materiellen Realität voraus, aber so etwa planen wir für die im nächsten Jahr zu eröffnende große neue Universitätsbibliothek hinter dem Bahndamm und sind Klaus Saur tief dankbar dafür, daß er auch für dieses Großprojekt wieder seinen klugen Rat und seine rastlose Tat zur Verfügung stellt, wie auch schon vorher im Rahmen des Institutes für Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Wovon hätte der Hausherr nun nicht alles zu sprechen und wenn er für die Akademie drüben das Wort ergreifen wollte, auch gleich noch von einem Wissenschaftspreis und von vielen anderen Klein- und Großprojekten. Frage, ich gestehe offen: bange Frage des lesenden Arbeiters im Präsidenten- und Sekretarsamte: Wird er, der in Berlin so viel saniert hat, nun nach München entschwinden, wie schon vorher sein Leib- und Magenlaudator, gleichfalls Honorarprofessor am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, besonders herzlich begrüßt an dieser Stelle? Eigentlich, lieber Herr Lehmann, hätten Sie schon bei der Nennung von einer der beiden Farben der Bibliotheca Teubneriana eigens begrüßt werden müssen, aber solche Insiderscherze pflegen das Publikum mindestens so lange zu langweilen, bis es Aufklärung beim Buffet erhalten kann. Also lieber weiter im Text der Frage: Wird Klaus G. Saur also mit Klaus D. Lehmann nach München entschwinden und uns hier wieder in den alten, gemütlichen, schrecklichen West- und Ostberliner Trott verfallen lassen? Und nun in Osteuropa oder sonst wo immer sanieren? Aufbauen? Zusammenfügen? Doch halt. Im Alphabet wollten wir uns ja nicht versuchen. Da zitiert der Theologe lieber den Apostel - zu deutsch: Das sei ferne. Oder noch präziser: Das wäre absurd.

Viele, die sich anschicken, in den Ruhestand zu treten, werden festgehalten. Und von alt-neuen Freunden mit alten wie neuen Aufgaben gelockt, umgarnt, gefesselt. Da bilden wir natürlich keine Ausnahme: Aller Dank hat Hintergedanken. Aber zu banal darf man das natürlich nicht anstellen, das Umgarnen. Sonst merkt es der kluge Geschäftsmann. Und verständige Menschenkenner. Also zum Schluß noch einmal nach Leipzig. Zu einem der beiden Verleger, die ihre Geschäftsbeziehungen beim Essen zu vertiefen pflegten. Zu Brockhaus. Die Festschrift zum zweihundertsten Geburtstag des Verlages Brockhaus - übrigens das erste Buch, das mir Klaus Saur geschenkt hat - schließt mit einem schönen Motto, mit dem ich auch schließen kann. Eigentlich soll man ja kein fremdes geistiges Eigentum stehlen und schon gar nicht am Schluß einer Laudatio für einen so engagierten Kämpfer für geistiges Eigentum und seine juristische Absicherung in Zeiten räuberischen elektronischen Publizierens - aber nun habe ich heute abend ja immer wieder und wieder gesagt, worüber ich nicht reden kann, reden sollte, reden darf - und also wechsle ich zum guten Schluß einmal trotzig das Genre und rede einmal so, wie schon ein anderer geredet hat und variiere, was über einen von Klaus Saur beaufsichtigten Verlag gesagt wurde, auf Klaus Saur: Fünfzig Jahre Verleger Klaus Saur - ein guter Anfang! Ich reihe mich als Leser, als Autor, als Akademie-Sekretar, als Präsident nur zu gern ein in die Schar der Gratulanten und hoffe, Sie, meine Damen und Herren, und allzumal den zu Lobenden mit meiner Gratulation nicht allzusehr gelangweilt zu haben.



Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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