Humboldt-Universität zu Berlin

Eröffnung des Science Tunnels der Max-Planck-Gesellschaft

Grußwort am 25. Februar 2008

Einen Science Tunnel eröffnen wir heute, lieber Herr Gruß, lieber Herr Zöllner, lieber Herr Leinfelder, lieber Herr Plischke, den Science Tunnel der Max-Planck-Gesellschaft in der Humboldt-Universität. Daß diese Leistungsschau wissenschaftlicher Fortschritte auf den Gebieten der Biotechnologie, Nanotechnologie, Neuroelektronik und Quantenberechnung einen englischen Titel trägt – Science Tunnel – und nicht mit dem schlichten deutschen Wort „Naturwissenschaftstunnel“ beworben wird, hat – wenn ich recht sehe – äußerst nachvollziehbare Gründe, auch wenn das vielleicht nicht jeden kleinkarierten Kämpfer für die deutsche Sprache zufriedenstellt: Das englische Wort „tunnel“, das im Mittelenglischen des fünfzehnten Jahrhunderts ein röhrenförmiges Netz zum Rebhühnerfang bezeichnete, ist mit der Tunnelbaukunst im neunzehnten Jahrhundert nach Deutschland gekommen wie viele Erfindungen auf dem Gebiet des Verkehrswesens, die erste deutsche Lokomotive, der Adler, war bekanntlich auch in England gebaut worden. Und wir müssen auch ehrlich zugeben, daß die Tradition allgemeinverständlicher Wissenschaftsausstellungen – in gewisser Weise ja auch Netze zum Fang, nämlich Netze, um das breitere Publikum für Wissenschaft zu fangen und zu begeistern – ja auch nicht im deutschen Elfenbeinturm erfunden wurde, sondern wie vieles andere im angelsächsischen Sprachraum geboren wurde; angesichts des dramatischen Nachholbedarfs des deutschen Wissenschaftssystems auf vielen, natürlich nicht auf allen Gebieten ist es also schon in Ordnung, wenn wir heute einen Science Tunnel eröffnen und keinen Naturwissenschaftstunnel.

Indem die Max-Planck-Gesellschaft einen Science Tunnel in der Humboldt-Universität eröffnet, kehrt sie zu ihren Ursprüngen zurück – die Idee, naturwissenschaftliche Spitzenforschung nicht an Universitäten und Akademien zu organisieren, sondern in einer eigenständigen Gesellschaft, hatte bekanntlich mein Lehrstuhlvorgänger Adolf von Harnack, der übrigens leider so dezent war, nicht pro domo die Gründung eines Kaiser-Wilhelm-Instituts für Christentumsgeschichte zu betreiben und die Frage, ob das neu formierte Göttinger Max-Planck-Institut ein Substitut für dieses Defizit werden kann, steht ja noch dahin. Um es ganz abgekürzt zu sagen: Die heutige Max-Planck-Gesellschaft war das Jubiläumsgeschenk des Kaisers zum hundertjährigen Jubiläum der heutigen Humboldt-Universität – und natürlich freuen wir uns über alle Zeichen engerer Kooperation zwischen der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der ehemaligen Friedrich-Wilhelms-Universität, sozusagen von Harnack zu Harnack, im Vorfeld unseres zweihundertjährigen und ihres hundertjährigen Jubiläums, denn, lieber Herr Gruß, wir wissen ja beide, daß Harnack in seinen einschlägigen Texten immer die wechselseitige Verwiesenheit von Universität und Instituten betont.

Mit Tunneln kennt die Berliner Universität sich aus. Vermutlich wissen nur wenige, daß vor unserem Hauptgebäude Unter den Linden ein zugeschütteter Straßenbahntunnel liegt, der übrigens auch mit Kaiser Wilhelm zu tun hat – den störte nämlich der die Linden kreuzende Nord-Süd-Verkehr der Straßenbahn so sehr, daß er die Verlegung unter die Erde anordnete; paradierende Soldaten nehmen nun einmal ungern Rücksicht auf kreuzende Straßenbahnen. Der knapp einen halben Kilometer lange und unendlich teure Tunnel, der sogar für Doppelstockwagen ausgelegt war, wurde – wen wundert’s – wenige Jahre nachdem der kaiserliche Auftraggeber die Stadt Richtung Holland verlassen hatte, wegen mangelnder Rentabilität eingestellt. Nach 1949 nutzen die Betriebskampfgruppen der Humboldt-Universität die Reste des Tunnels, um dort die Fahrzeuge abzustellen, mit der für den stets befürchteten Fall eines Massenausbruchs am Brandenburger Tor oder Potsdamer Platz die Staatsgrenze West hätte gesichert werden können. Nach dem Zusammenbruch der Staatsgrenze West verschwanden auch die Betriebskampfgruppen – und nun ist der Tunnel frei. Ich gebe angesichts der wunderschönen Ausstellung, die wir heute eröffnen, zu bedenken, daß wir ja einmal darüber nachdenken können, den Tunnel als tunnel zu nutzen, im großen Jubiläumsjahr 2010, im Jubiläumsjahr von Humboldt-Universität und Max-Planck-Gesellschaft, dort einen neuen, für Berlin bestimmten und dort dauernd aufgestellten Science tunnel einzurichten, mindestens bis das Humboldt-Forum fertig ist.

Meine Damen und Herren, mindestens der aufmerksameren Zuhörerschaft untet Ihnen ist längst deutlich: Ich kenne den Science tunnel der Max-Planck-Gesellschaft noch nicht und mußte deswegen über Harnack und Altberliner Straßentunnel räsonieren. In gewisser Weise bin ich selbst dafür verantwortlich, daß ich die Ausstellung noch nicht kenne – werde es jedenfalls, wenn ich weiter rede. Dann hindere ich nämlich uns alle, diese nach Ausweis der Homepage hochspannende Ausstellung zu besuchen – und beende daher mein Grußwort, indem ich zuletzt allen danke, die sich um den Aufbau dieser Ausstellung verdient gemacht haben, insbesondere den Herrn Kollegen Gruß und Leinfelder samt ihren jeweiligen Teams.



Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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