Humboldt-Universität zu Berlin

70. Geburtstag von Heinrich August Winkler

Grußwort vom 30. Januar 2009

Ob es, verehrter, lieber Herr von Weizsäcker, lieber Herr Steinbrück, lieber Wolfgang Beck, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, verehrte, liebe Dörte Winkler, lieber Heinrich August Winkler, ob es an der Humboldt-Universität zu Berlin eine institutionelle Nachfolge der großen Historiker des preußischen Staates an der Friedrich-Wilhelms-Universität gibt, ja, darüber können Juristen klug streiten und manche Journalisten trefflich berichten. Wir alle hier wissen nur zu gut, welche garstigen breiten Gräben Leopold von Ranke, Heinrich von Treitschke und Hans Delbrück von Heinrich August Winkler trennen und können deswegen umso munterer über die geheimen Linien philosophieren, die von den Staatshistorikern eines untergegangenen und doch so präsenten Staates auf den Historiker der am Ende aller Sonderwege angekommenen Bundesrepublik führen. Natürlich: Man hätte sich nicht vorstellen können, daß Heinrich von Treitschke gemeinsam mit einem französischen Kardinal und konvertierten Pariser Juden über Europas Lernwege im Umgang miteinander nachgedacht hätte – aber besaß nicht schon Ranke eine jedenfalls für seine Zeit beeindruckende europäische Orientierung? Natürlich denken wir beim Stichwort „westliche Wertegemeinschaft“ nicht zu allererst an den großen Historiker aus Wiehe an der Unstrut und schon gar nicht an seinen Lehrstuhlnachfolger; aber Hans Delbrück jedenfalls vertrat – wie das in einem Lexikon so schön heißt – mit der Zeit auch sozialdemokratische Positionen und stand, horribile dictu, dem Kathedersozialismus nahe, obwohl er bei liberal-konservativen Ansichten begonnen hatte.

Die Anspielungen mögen ausreichen, sie müssen ausreichen – denn ich bin schließlich kein Fachhistoriker des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts im eigentlichen Sinne, selbst wenn ich mich sehr gelegentlich über die Wissenschaftspolitik von Theologieprofessoren und die Frömmigkeit von Monarchen äußere. Mir ging es mit meinen Bemerkungen nur darum, Heinrich August Winkler nicht nur in die kurze Nachwendegeschichte unserer Universität einzuzeichnen, in die schwierigen Jahre unmittelbar nach 1991, als er sich kaum zu überschätzende und auch kaum zu vergeltende Verdienste um den Wiederaufbau der alma mater Berolinensis erworben hat. Sondern mir ging es darum, daß ich – je länger ich ihn kenne und beobachte – desto lieber in eine Tradition einordne, die sich durch den beständigen Wandel auszeichnet, da reicht es ja, eben die Namen Treitschke und Delbrück auszusprechen.

Nun gibt es noch eine zweite Traditionslinie in Werk und Person Heinrich August Winklers, über die ich heute kurz sprechen möchte, die einer gleichfalls auf den ersten Blick untergegangenen Landschaft wie Stadt – ich meine natürlich Königsberg in Ostpreußen, eine – wie vor einiger Zeit ein Kollege titelte – „Weltbürgerrepublik“, herrlich falsch und doch, wenn wir auf Winkler blicken, herrlich richtig zugleich. Auch hier gibt es eine heute einschlägige Traditionslinie, natürlich nicht nur von Historikern, von Hans Rothfels über Theodor Winkler zu Heinrich August Winkler, sondern eine spezifisch protestantische Form von Aufklärung, die bis in den wissenschaftlichen Stil hinein prägend war und prägte, nüchtern, präzise – und das ganz unabhängig davon, ob sie nun in Riga, Sankt Petersburg, Leipzig, Westberlin oder Berlin-Mitte gepflegt wurde und Gott sei Dank weiter gepflegt wird. Sie ahnen, daß es den Theologen fast noch mehr reizen würde, über diese Traditionslinie protestantischer Aufklärung in den Wissenschaften nachzudenken, zu räsonieren, wie ich in der ihr eigenen Sprachtradition sagen könnte – allein, auch hier muß ich es bei der Andeutung belassen, daß Sie, lieber Herr Winkler, diese Tradition mit anderen nach 1991 an die Humboldt-Universität zurückgebracht haben und damit vielleicht auch, wenn ich das so pathetisch sagen darf, vor dem Untergang in der postmodernen Beliebigkeit und in den kulturwissenschaftlichen Sprachspielen bewahrt haben. Wie dem auch immer sei: Die Humboldt-Universität und zuförderst deren Präsident verneigen sich vor Ihnen. Und: Wir freuen uns unbändig, daß Sie uns in losen chronologischem Zusammenhang zu Ihrem Geburtstag so reich beschenken wollen.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität

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