Siris-Project: Grabungsfunde in antiker griechischer Kolonie in Süditalien

Bergung der Terrakottastatuette einer Göttin, Foto: Maximilian Voit
20 Studierende des Winckelmann-Instituts der Humboldt-Universität zu Berlin und ihre Projektleiterin Dr. Annarita Doronzio erforschen im Rahmen einer vierwöchigen Grabungskampagne im Juli und August die Einflüsse griechischer Kolonisten im archäologischen Park Siris-Herakleia an der Südküste Italiens. „Es ist uns bereits gelungen, mehrere außergewöhnlich gut erhaltene, antike Keramikgefäße zu bergen, die wissenschaftlich bedeutsam sind, auch weil deren Inhalt scheinbar konserviert ist“, sagt Archäologin Doronzio. Inhaltsanalytische Beprobungen der Gefäße, die sich jetzt sich im Restaurierungs-Depot des Museo Nazionale della Siritide befinden, werden demnächst durchgeführt.
Antiker Lyriker schwärmte von der Stadt
Das „Siris-Project“ erforscht die antike griechische Siedlung Siris-Herakleia und fokussiert sich dabei auf die Frühphase der Besiedlung. Die zwei antiken Städte am Golf von Tarent nahe der modernen Stadt Policoro zählten zu den griechischen Kolonien, die vom 8. bis 5. Jahrhundert v. Chr. gegründet wurden. „Siris-Herakleia erweist sich aufgrund einzelner archäologischer Befunde und auf Basis der literarischen Überlieferung als besonders geeignete Fallstudie für die Rekonstruktion der Gründung und Entwicklung einer griechischen Kolonie“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Verse des ersten uns bekannten griechischen Lyrikers, Archilochos, zeigen, dass die Stadt um 650 v. Chr. bereits florierte.“ Archilochos schreibt: „Kein Ort ist so schön, so begehrenswert und so willkommen wie der rund um den Siris-Fluss.“
Die Bewohner*innen beider Städte verehrten in einem Quellheiligtum im Valle Mediana von Siris-Herakleia eine Göttin, die man mit der Fruchtbarkeit der Erde in Verbindung brachte. Dieses wird in der Literatur als Demeterheiligtum beschrieben. Die dortigen architektonischen Überreste stammen hauptsächlich aus der klassisch/hellenistischen Zeit. Votivlegungen und Architekturreste belegen jedoch eine Nutzung des Areals bis in das 7. Jahrhundert v. Chr.
Fund von dekorierter Feinkeramik
Ziel der diesjährigen Grabungskampagne ist es, den Charakter des Heiligtums zu jener frühen, Archaik genannten Phase, eingehender zu untersuchen. Die nun neu erbrachten Funde stammen aus einem sogenannten Votivdepot aus diesem Heiligtum und können durch die besonders gut erhaltene und durch spätere Eingriffe ungestörte Fundlage in die Frühphase der Stadt ins 6. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Es handelt sich hauptsächlich um gut erhaltene, dekorierte Feinkeramik, welche wohl im Rahmen von kultischen Handlungen im Heiligtum niedergelegt wurde. Neben den Gefäßen konnte außerdem die äußerst hochqualitative Terrakottastatuette einer Göttin geborgen werden, welche stilistisch ebenfalls der Frühphase der Kolonie zugewiesen werden kann. Aufgrund der vielen Wasserquellen im Areal erfolgt das Bergen der Funde unter erschwerten Bedingungen, da der Boden sehr schlammig ist. In den kommenden Monaten wird eine genauere Analyse des Fundmaterials sicherlich weitere Erkenntnisse bezüglich des Heiligtums liefern und dabei helfen, die religiösen Praktiken der frühen Bewohner der Stadt zu verstehen.
Bedeutung früher Stadtbefestigungen
Ein weiterer bedeutender Schwerpunkt der aktuellen Grabungskampagne liegt auf der Erforschung der archaischen Befestigungsanlagen von Siris, deren Überreste sich an mehreren Stellen im heutigen Stadtgebiet nachweisen lassen. Besonders im Fokus stehen dabei die massiven Strukturen am Südhang des nördlichen Stadthügels. Diese befinden sich in unmittelbarer Nähe zu jenem Abschnitt der Stadtmauer, der bereits zwischen 1976 und 1980 freigelegt wurde. Die dort vorgesehenen Grabungsaktivitäten sollen vorrangig vorangetrieben werden, um neue Erkenntnisse über den genauen Verlauf sowie die bauliche Beschaffenheit der frühen Stadtbefestigungen zu gewinnen. Ziel ist es, ein klareres Bild der städtebaulichen Entwicklung von Siris in archaischer Zeit zu zeichnen und die strategische Bedeutung dieser Befestigungen im historischen Kontext besser zu verstehen.
Das „Siris-Project“ wird durch die Humboldt-Universitäts-Gesellschaft und das International Office der HU, Erasmus +, gefördert. Es bietet den Studierenden die Möglichkeit, bei einer archäologischen Ausgrabung von Beginn an mitzuwirken, moderne Grabungs- und Dokumentationsmethoden zu erlernen und mit lokalen Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.
Kontakt
Dr. Annarita Doronzio
Institut für Archäologie
Winckelmann-Institut, Humboldt-Universität zu Berlin
annarita.doronzio@hu-berlin.de