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Studie: Mehr Covid-19-Infektionen nach „Querdenken“-Demonstrationen

Die „Querdenken“-Demonstrationen im November 2020 haben dazu beigetragen, dass sich das Corona-Virus innerhalb Deutschlands stark verbreitet hat. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Autoren Dr. Martin Lange vom ZEW Mannheim und Dr. Monscheuer von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der HU. Im Interview spricht Ole Monscheuer über die Entstehung und die Ergebnisse der Studie sowie die Reaktionen darauf.

Herr Monscheuer, wie entstand die Idee für das Diskussionspapier?

Es gibt bereits eine große wissenschaftliche und auch volkswirtschaftliche Literatur über Faktoren, die die Ausbreitung und Eindämmung von SARS-CoV-2 untersuchen. Anknüpfend an dieses Forschungsfeld haben mein Co-Autor und ich uns die Frage gestellt, wie sich Demonstrationen wie in Leipzig im November auf das Infektionsgeschehen auswirken.

Wir haben uns überlegt, wie man die Auswirkungen von solchen Demonstrationen messen könnte, da es natürlich keine Informationen über das direkte Infektionsgeschehen auf solchen Veranstaltungen gibt. Bei unseren Recherchen sind wir auf die Webseite von „Honk for Hope“ und die dort buchbaren Abfahrtorte aufmerksam geworden. Mit Hilfe der regionalen Verteilung der Busverbindungen und dem Zeitpunkt der Demonstrationen wollten wir mittels etablierter mikroökonometrischer Methoden unter klar beschriebenen Annahmen den Effekt dieser Demonstrationen auf das Infektionsgeschehen in den Herkunftsregionen der Demonstrant:innen schätzen.

Was haben Sie in ihrer Studie herausgefunden?

Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen und statistisch signifikanten Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz nach den Demonstrationen in Landkreisen, in denen Busverbindungen zu Demonstrationen angeboten werden. Der Effekt ist stärker in Kreisen, in denen es Busverbindungen sogar in Kleinstädten gibt. Dies stützt die kausale Interpretation der Ergebnisse, da solche Busverbindungen von einer hohen Nachfrage nach Fahrten zeugen. Unsere Ergebnisse sind nicht getrieben von unterschiedlichen Entwicklungen in den Infektionszahlen in Kreisen mit oder ohne Busverbindungen, da wir vor den Demonstrationen parallele Trends beobachteten. Die Ergebnisse hängen zudem nicht vom Infektionsgeschehen in einzelnen Bundesländern, wie z.B. Sachsen, Thüringen oder Bayern, ab. Außerdem zeigen wir, dass sie auch in verschiedenen Spezifikationstests sehr robust sind. Das heisst, wir können viele alternative Erklärungen für den Anstieg in diesen Kreisen ausschließen.

Das Papier hat zum Teil heftige Reaktionen ausgelöst. Hat Sie das überrascht?

Unser Papier leistet in erster Linie einen Beitrag zur internationalen Forschung zu diesem Thema. Es ist eingebettet in eine sehr aktive ökonomische Literatur, die vergleichbare Fragen mit ähnlichen ökonometrischen Methoden bearbeitet. Diese Studien beruhen vor allem auf Ereignissen in den USA, sodass wir der Literatur mit unseren Ergebnissen neue Erkenntnisse zufügen (z.B. Dave et al., 2020).

Dass ein Diskussionspapier veröffentlicht und dem wissenschaftlichen Diskurs zur Verfügung gestellt wird, bevor das Papier in das Peer-Review-Verfahren geht, ist in unserem Fach üblich. Da wissenschaftliche Arbeit nicht immer so viel Aufmerksamkeit bekommt, war ich von den vielen Reaktionen schon überrascht.

Interview: Frank Aischmann

Weitere Informationen

Link zur Studie (PDF)