Laura Betancur Alarcón ist seit 2021 Doktorandin am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) und dort in das von Tobias Krüger geleitete und von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt „Water Security for Whom? – Social and Material Perspectives on Inequality Around Multipurpose Reservoirs in Colombia“ eingebunden.
Woran forschen Sie gerade?
Ich komme aus den Umweltwissenschaften und führe ethnographische Feldforschungen durch, wobei ich Erkenntnisse aus der Anthropologie und Geographie miteinander verknüpfe. Mein Hauptinteresse liegt darin zu verstehen, wie Ungleichheit in komplexen Mensch-Umwelt-Beziehungen entsteht, besonders in Bezug auf Flüsse und Flussufer. In meiner Arbeit versuche ich, die binäre Trennung von Kultur und Natur zu vermeiden und Ungleichheit nicht nur in sozialer, sondern auch in materieller und ökologischer Hinsicht zu erfassen, also im sozial-ökologischen Kontext. Als Teil des „Water for Whom?“-Projekts arbeite ich in Kolumbien, wo große Wasserkraftwerke und Stauseen die Lebensweise der Einwohner, die öffentliche Verwaltung, Infrastruktur, Arbeit, den Naturschutz und andere Aspekte stark verändert haben. Ich erforsche die sozial-ökologischen Beziehungen im Magdalena-Becken, dem wichtigsten des Landes, und lege den Fokus dabei auf Flüsse, die zwischen den 1980er und 2010er Jahren gestaut wurden – als menschliche Eingriffe in die Natur verändern Staudämme ja die Lebensgrundlagen erheblich. Zusammen mit mir gibt es in unserem „Water for Whom?“-Team sieben Promotionsstudierende aus unterschiedlichen Disziplinen wie Hydrologie, Energiemodellierung, Wirtschaft und Landnutzungswissenschaften. Ich selbst bin für den ethnographischen Ansatz zuständig, für die Untersuchung der Beziehungen zwischen Mensch und Fluss. Wir arbeiten im Team zusammen und eine meiner Herausforderungen besteht darin, die detaillierten Beschreibungen meiner ethnographischen Arbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fachrichtungen zu diskutieren und in einen produktiven Austausch mit ihnen zu kommen – es ist eine sehr interdisziplinäre Arbeit.
Was sind Ihre Ziele für die nächsten fünf Jahre?
Zunächst möchte ich in den nächsten Jahren das Projekt und meine Doktorarbeit abschließen. Gleichzeitig aber freue ich mich darauf, ein Buch zu schreiben, um ein breiteres Publikum zu erreichen und Wissenschaftskommunikation im Bereich der Umweltsozialwissenschaften zu betreiben. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig, denn man sieht oft, wie Erkenntnisse aus den harten Naturwissenschaften der Öffentlichkeit erklärt werden, aber es ist auch notwendig zu erklären, was im weitesten Sinne aus der Anthropologie und den Sozialwissenschaften kommt. Ich möchte gerne erforschen und Geschichten darüber erzählen, wie wir Flüsse und Flusslandschaften besser wertschätzen, besser verstehen und besser mit ihnen zusammenleben können.
Wie würden Sie die Bedeutung Ihrer Forschung für die Gesellschaft einschätzen?
Angesichts des gegenwärtigen Zustands unseres Planeten ist die Bedeutung des Studiums sozial-ökologischer Beziehungen wohl unstrittig. Nun gibt es aber viele komplexe Dynamiken, die in so allgemeiner und globaler Form untersucht werden, dass sie für viele Entscheidungsträger nicht mehr greifbar sind. Wenn man zu einer Regierung oder einer internationalen Organisation geht, dann sagen die, ja, ja, wir müssen an der Nachhaltigkeit von Wasser und Nahrung arbeiten. Und dann klingt das irgendwie sehr abstrakt. Ja, was? Was ist das? Was ist das denn? Ich glaube, dass die Arbeit, die von den Umweltsozialwissenschaften geleistet werden kann, genau darin besteht, zu erklären und zu beschreiben, wie diese großen Prozesse in greifbare Praktiken umgesetzt werden können, seien es Fischereipraktiken, die Produktion von grünem Wasserstoff oder Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt.
Welche Frage wird Ihnen als Wissenschaftlerin viel zu selten gestellt?
Ich denke, dass Fragen nach unserem eigenen emotionalen Bezug zu unserer Forschung manchmal vernachlässigt werden. Warum tun wir das, was wir tun? Die wissenschaftliche und gerade die anthropologische Arbeit hat viel mit mir selbst zu tun, mit meinem Körper, meiner persönlichen Zeit, meinem völligen Eintauchen in die Materie; sie ist also untrennbar mit der eigenen Positionierung, eigenen Lebensgeschichte und mit den eigenen Emotionen verbunden. Darüber redet man in der Wissenschaft nicht so gerne, weil alles immer professionell, neutral und seriös aussehen soll. Aber ich habe zehn Monate Feldforschung betrieben und mir die Geschichten der Menschen angehört. Wir sehen sie im täglichen Leben, wir sehen ihre Kämpfe, ihre Träume. Natürlich berührt einen das persönlich.