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„Die Menschen wollen wissen, was passiert. Es ist die Aufgabe der Wissenschaftler*innen, sie zu informieren“

Sofia Permiakova machte vor sieben Jahre ihren Master of British Studies am Großbritannienzentrum. Jetzt arbeitet sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin und schreibt an ihrem PhD.

Sofia Permiakova kommt aus Perm, einer Ein-Millionen-Stadt in Russland. Vor sieben Jahren entschied sie sich für den Masterstudiengang am Großbritannienzentrum der Humboldt-Universität zu Berlin. „Ich wollte etwas machen, dass mit Großbritannien zu tun hat, das international war und mir praktische Erfahrungen gab. Und das GBZ bot all das. Und dann kam natürlich noch Berlin als Argument dazu, da musste ich nicht lange nachdenken. Und meine Erwartungen wurden voll erfüllt“, meint Frau Permiakaova.

Mittlerweile ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Großbritannienzentrum und macht dort ihren PhD. Sie forscht über britische Lyrik von Frauen, vor allem aus der Zeit des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Ihre Einstellung zu Großbritannien hat sich in den sieben Jahren allerdings gewandelt: “Als ich mit dem Studium angefangen habe, hatte ich noch ein recht naives Bild von Großbritannien. Das waren für mich meine Lieblings-Fernsehsendungen, das House of Parlament, eine sehr idealisierte Vorstellung. Ich habe nie über die Komplexität der Kultur nachgedacht. Jetzt versuche ich hinter die Postkartenbilder zu schauen und das ist manchmal sehr irritierend.”

 

Sofia Permiakova, Großbritannien-Zentrum der HU
 

Der Brexit ist für Sofia Permiakaova vor allem eine große Enttäuschung, ein weiteres Ereignis in der langen Reihe des weltweiten Aufstiegs von Populismus und Nationalismus. „Ich habe Freunde, die sich in Großbritannien nicht mehr so willkommen fühlen wie früher.“ Auch für die Wissenschaft sieht sie den Brexit sehr negativ: „Wissenschaft lebt von Zusammenarbeit, vom Austausch. Der Brexit bricht die Strukturen ab, die diesen Austausch ermöglichen.“ Die historische Erfahrung auch aus Russland zeige, dass wissenschaftliche Entwicklung leidet, wenn der internationale Dialog unterbleibt. „Eine der Grundvoraussetzungen für Wissenschaft ist: Bleib offen!“, davon ist sie überzeugt.

 

Für das Großbritannienzentrum selbst sieht Frau Permikaova den Brexit ambivalent: Auf der einen Seite bekommt das Zentrum der Humboldt-Universität durch ihn viel Aufmerksamkeit und öffentliches Interesse, auch für Wissenschaftler ist der Prozess sehr interessant, auf der anderen Seite ist es gerade für die Studierenden schwieriger geworden, Praktika oder Auslandssemester in Großbritannien zu bekommen „Vom Brexit ist vor allem das Erasmus-Programm bedroht, was bedeutet, dass die Studierenden nicht die finanzielle Unterstützung für Auslandssemester bekommen und auch keine Visa,“ erklärt Frau Permiakova. Und gerade das ist ein wichtiges Argument für die Studierenden. „Wir suchen im Moment gerade auch nach Partnerschaften in Irland, denn Irland behält die Erasmus-Programme, dort können weiterhin Praktika gemacht werden“ Aber diese Verschiebung des Fokus von Großbritannien nach Irland führt evtuell dazu, dass die Struktur des Studiums überdacht werden muss.

 

Sofia Permiakova, Großbritannien-Zentrum der HU
 

Den Austausch mit der Öffentlichkeit hält Sofia Permiakova für eine der zentralen Aufgaben des GBZ und auch für die Zukunft für eine der großen Herausforderungen, gerade in turbulenten Zeiten wie diesen. „Wir stellten gerade beim Brexit fest, wie sehr das Publikum daran interessiert war, was passiert. Die Wissenschaftler müssen daher ihre Arbeit machen und es informieren.“

 

Sofia Permiakova, Großbritannien-Zentrum der HU
 

Auch digitale Möglichkeiten noch stärker in die Lehre einzubinden sieht Frau Permiakova als eine Aufgabe für die Zukunft, das habe die Corona-Zeit deutlich gemacht. In Lehre und Forschung immer am Puls der Zeit zu bleiben sieht sie ebenso als Herausforderung für das Zentrum: „Wir haben nie z.B. Britische Literatur erforscht, einfach um sie zu erforschen, sondern immer auf aktuelle Entwicklungen reagiert. Das finde ich sehr richtig und das sollten wir auch in der Zukunft weiterhin tun.“

 

Das Großbritannienzentrum wird auch weiterhin eine wichtige Rolle als Vermittler und Erforscher spielen, davon ist Frau Permiakova überzeugt: „Der Brexit hat gezeigt, dass es noch viele unbeantwortete Fragen über Großbritannien gibt. Viele politische und kulturelle Fragen haben sich als viel komplexer herausgestellt, als wir gedacht haben. Und auch die Studierenden sind immernoch an uns interessiert und bewerben auf die Studienplätze sich, trotz Corona.”