GRK 424: Codierung von Gewalt im medialen Wandel
Die Neubestimmung der Geisteswissenschaften als historische
Kulturwissenschaften ist konstitutiv für das von den beteiligten
Fächern (Geschichte, Kulturwissenschaft, Geschichte und Ästhetik der
Medien, Kunstgeschichte, Afrikanische Literaturen und Kulturen, Gender
Studies, Romanische Literatur, Deutsche Literatur der Neuzeit und des
Mittelalters, Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft) gemeinsam
erstellte Programm für ein Forschungsgebiet "Codierung von Gewalt im
medialen Wandel". Gemeinsam ist die Ausrichtung auf
mediengeschichtliche und historisch-anthropologische Fragestellungen,
die den Paradigmenwechsel besonders kenntlich machen. Im Zentrum stehen
die historisch zu ermittelnden Formen der Konstruktion, der
Ermöglichung und der Regulierung von Gewalt im Blick auf Verfahren und
Techniken der Übertragung, Speicherung und Verarbeitung. In den
Bereichen von Literatur, Kunst, Theater und Musik tritt an die Stelle
der Darstellungsproblematik (Gewalt als Essenz in den Menschen- und
Geschichtsbildern) die Problematisierung von medialen Formen,
diskursiven Strukturen und ästhetischen Strategien der Hervorbringung
von Gewalt in den europäischen und außereuropäischen Kulturen vom
Mittelalter bis ans Ende des 20. Jahrhunderts. Ausgeschlossen ist somit
die Untersuchung von Gewalt als "real" im Sinne einer unvermittelten
Vorfindlichkeit. Eingeschlossen sind Untersuchungen zu den symbolischen
Formen von Vergesellschaftung (Konflikt, Krieg, Streik, Revolution):
zur Generierung ihrer Codes und zur Transformation der ihnen
zugrundeliegenden Zeichensysteme.
Das Kolleg gliedert sich in vier Arbeitsbereiche, die aufeinander
bezogen sind. Der Arbeitsbereich Historische Semantik der
Gewaltcodierung stellt zum einen die Frage nach den medialen Grundlagen
der Inszenierung von Herrschergewalt (Präsenz und Repräsentation),
zum anderen werden Fragen der Konzeptionalisierung von Gewalt in den
vorrangigen kulturellen Mustern der Naturwahrnehmung und der
Naturbeherrschung im Kontext von Medien- und Technikgeschichte zum
Thema. Im Arbeitsbereich Gewaltförmigkeit in der kulturellen Codierung
von Differenz werden am Beispiel der Konstruktion der Geschlechter
sowie des vermeintlich Eigenen und Fremden die Machtverhältnisse
dieser Grenzziehung selbst analysiert. Im Arbeitsbereich Ästhetische
Strategien der Codierung von physischer Gewalt sollen Formen der
kulturellen Regulierung manifester Gewalt (Ritualisierung,
Stilisierung, Normierung) besondere Aufmerksamkeit finden. Im
Arbeitsbereich Codierung von Gewalttechnologien in der industriellen
Moderne stehen sowohl medienhistorisch übergreifende Themen wie das
der Übertragung von Informationstechnologien des Krieges auf die
Zivilgesellschaft am Beispiel der jeweils neuen Medien von Fotografie,
Film und Fernsehen im Vordergrund wie auch Einzelstudien zur Affinität
von Gewalt und Avantgarde, über Methoden und Theorien zum Raum- und
Zeitgewinn und zu Kulturtechniken von Selektion und Züchtung.
Beteiligte Fakultäten/Institute der Humboldt-Universität zu Berlin:
Philosophische Fakultät II: Institut für deutsche Literatur, Institut für Romanistik; Philosophische Fakultät III: Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften, Seminar für Ästhetik, Kulturwissenschaftliches Seminar, Kunstgeschichtliches Seminar, Musikwissen-schaftliches Seminar, Seminar für Theaterwissenschaft und kulturelle Kommunikation.
Sprecher:
Prof. Dr. Klaus R. Scherpe
Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät II
Institut für deutsche Literatur
Schützenstr. 21
10117 Berlin
Tel.: +49 30 2093-9651
Fax: +49 30 2093-9607
Weitere beteiligte Wissenschaftler/innen der Humboldt-Universität:
PD Dr. Susanne Baer (assoziiert, Rechtswissenschaft), Prof. Dr. Hartmut Böhme (Kulturtheorie und Mentalitätsgeschichte), Prof. Dr. Christina von Braun (Kulturtheorie, Geschlecht und Geschichte), Prof. Dr. Hermann Danuser (Historische Musikwissenschaft), Prof. Dr. Susanne von Falkenhausen (Kunstgeschichte der Neuzeit), Prof. Dr. Karin Hausen (assoziiert, Geschichtswissenschaft, interdisziplinäre Frauenforschung), Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba (assoziiert, Europäische Ethnologie), Prof. Dr. Friedrich A. Kittler (Geschichte und Ästhetik der Medien), Prof. Dr. Thomas Macho (Kulturgeschichte), Prof. Dr. Wolfgang Mühl-Benninghaus (Theorie und Geschichte des Films), Prof. Dr. Ernst Osterkamp (Neuere deutsche Literatur), Prof. Dr. Helmut Pfeiffer (Romanische Literaturen und Allgemeine Literaturwissenschaft), Prof. Dr. Werner Röcke (Literatur des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit), Prof. Dr. Inge Stephan (Neuere deutsche Literatur), Prof. Dr. Flora Veit-Wild (Afrikanische Literaturen und Kulturen), Prof. Dr. Horst Wenzel (Literatur des hohen Mittelalters).
Laufzeit:
4/1998 - 3/2007
Online-Information/Kontakt:
Internet: http://www2.hu-berlin.de/gewalt/
e-mail: elisabeth.wagner@rz.hu-berlin.de