Zweiter Weltkrieg, Männermangel und uneheliche Geburten
Sehr viele Menschen starben während des Zweiten Weltkriegs. In
Deutschland betraf dies vor allem die männliche Bevölkerung. Zum
Zeitpunkt der ersten Volkszählung nach dem Krieg im Oktober 1946 kamen
in den westlichen Besatzungszonen lediglich zwei Männer auf drei Frauen
– ein nie dagewesener Männermangel. Dies galt besonders für Männer im
„besten Alter“, d.h. die für die Heirat und Fortpflanzung bedeutende
Gruppe der 20 bis 40-Jährigen. Tote, vermisste und sich noch in
Kriegsgefangenschaft befindende Soldaten waren die Hauptgründe.
Michael Kvasnicka von der Humboldt-Universität zu Berlin und Dirk
Bethmann von der Korea University in Seoul untersuchten nun erstmalig
die Auswirkung dieses Verlustes an (potentiellen Ehe-) Männern auf das
Geburtenverhalten in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Insbesondere
interessierte die beiden Forscher der Anteil unehelicher
Geburten.
Hierzu trugen sie aus verschiedenen Archiven, statistischen Ämtern und
Bibliotheken umfangreiches historisches Datenmaterial für mehr als 150
bayerische Kreise zur statistischen Auswertung zusammen. In ihrer
Auswertung zeigen die Autoren, dass die durch den Krieg verursachte
dramatische Verschiebung des zahlenmäßigen Geschlechterverhältnisses zu
Ungunsten der heiratsfähigen weiblichen Bevölkerung zu einem
bedeutenden Anstieg der unehelichen Geburten geführt hat.
Gemessen an den Gesamtgeburten in einem Jahr, verdoppelte sich
zwischen 1939 und 1946 der Anteil der unehelich geborenen Kinder von 10
Prozent auf über 21 Prozent. Kvasnicka und Bethmann geben verschiedene
Hinweise auf mögliche Mechanismen, die die festgestellte Verbindung
zwischen dem sogenannten Männermangel und unehelicher
Geburtenhäufigkeit erklären können.
Auf der einen Seite sei klar, sagen die Autoren, dass Männer umso mehr
Verhandlungsspielraum und -macht haben, wenn die schlichte Anzahl der
Frauen pro Mann besonders groß ist. Wenn es wenig Männer gibt, haben
sie die „Qual der Wahl“ und wenig Grund, sich durch Heirat an eine
einzelne Frau zu binden. Dies gilt auch für den Fall, dass die
Partnerin schwanger ist. Auf der anderen Seite, so die Autoren, ist
jedoch auch hinlänglich bekannt, dass die Frauen der Nachkriegszeit
besonders
unabhängig waren, nicht zuletzt auch gerade auf Grund der fehlenden
Männer. Die Frauen waren nach dem Krieg zum Geldverdienen gezwungen.
Somit waren sie wirtschaftlich unabhängiger und konnten im Zweifel die
Kinder auch allein großziehen. Was auch immer der genaue Mechanismus
war, die Ursache bleibt der durch den Krieg verursachte
Männermangel.
Kreise, in denen noch nicht zurückgekehrte Kriegsgefangene einen
größeren Anteil des männlichen Ausfalls stellten, weisen zudem einen
niedrigeren Anstieg der unehelichen Geburten auf. Kreise, in denen der
Männermangel mehr durch Militärsterbefälle und vermisste Soldaten
verursacht wurde, fallen hingegen durch einen größeren Anstieg auf. Die
Autoren erklären diesen Befund damit, dass in der unmittelbaren
Nachkriegszeit erwartet werden konnte, dass Kriegsgefangene – wenn auch
spät – meist zurückkehren würden. In Kreisen mit einem höheren Anteil
von Kriegsgefangenen war deshalb mit einer baldigen Verbesserung der
Heiratschancen von Frauen zu rechnen. In Erwartung dieser Entwicklung,
waren Männer wohl eher geneigt, sich durch Heirat an eine Partnerin zu
binden. Dies dürfte die Häufigkeit von unehelichen Geburten reduziert
haben.
Das Diskussionspapier zum Download:
http://sfb649.wiwi.hu-berlin.de/papers/pdf/SFB649DP2007-053.pdf
Informationen:
Michael Kvasnicka
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Wirtschaftstheorie II
Telefon: +49[30] 2093 - 5667
WWW: http://sfb649.wiwi.hu-berlin.de/
E-Mail: kvasnicka@wiwi.hu-berlin.de
Dirk Bethmann
Korea University
Economics Department
Telefon: +82[10] 2891 - 4107
E-Mail: dirk@korea.ac.kr