Gut vernetzt und mit klaren Zielen

Prof. Dr. Aileen Edele,
Foto: Stefan Klenke
Für sie kam die Förderung gerade rechtzeitig vor einem wichtigen Karriereschritt. Aileen Edele ist eine von zwölf Professorinnen der Berlin University Alliance (BUA), die gerade das „Leadership-Programm für Professorinnen“ durchlaufen haben. Die Professorin für Lehr-Lernforschung war bislang am Institut für Erziehungswissenschaften der HU und am Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) tätig. Anfang 2025 übernimmt sie dessen Leitung.
Das Programm sei dringend nötig, um sich für Führungsaufgaben an der Universität zu qualifizieren, sagt die Wissenschaftlerin, die zum Lernen an Schulen forscht, in denen Menschen aus verschiedenen Herkunftskulturen zusammenkommen. „In der Wirtschaft und in NGOs ist diese Förderung selbstverständlich, aber die Uni sieht das strukturell nicht vor.“ Um diese Lücke zu füllen, hat Ursula Fuhrich-Grubert das Programm 2012 an der Humboldt-Universität entwickelt. Denn wer neu auf eine Professur berufen wird, bringe nur einen Teil der nötigen Kenntnisse mit. „Er oder sie hat gelernt, Forschungsmittel einzuwerben, zu forschen und zu lehren“, erklärt die zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der HU. „Professor*innen werden in diese Situation geworfen und müssen damit klarkommen, wenn es im Team zum Beispiel Konflikte gibt.“
Workshops zu Führungskompetenz und Networking
In der Anfangszeit förderte das Programm jedes Jahr fünf Professorinnen. Seit dem Zusammenschluss von FU, HU, TU und Charité-Universitätsmedizin zur BUA sind es jedes Jahr zwölf Frauen – drei pro Standort. Auch um nicht miteinander zu konkurrieren, unterscheiden sie sich im Alter und in der Fachrichtung. Und werden in zwei Gruppen aufgeteilt: „Die Idee war und ist bis heute, dass sie sich in einer kleinen Gruppe regelmäßig über ein Jahr hinweg mit dem Thema Führung in der Wissenschaft beschäftigen“, betont Fuhrich-Grubert, die an der HU seit kurzem auch das „Zentrum Chancengerechtigkeit“ leitet und zudem im Vorstand der „Berlin Leadership Academy“ sitzt.
Zu Beginn wird der Führungsstil jeder Teilnehmerin analysiert, wobei auch die Wahrnehmung ihrer Mitarbeitenden einfließt. In sechs über das Jahr verteilten eintägigen Workshops beschäftigen sie sich mit den Themen Führungsverständnis, Rollenklärung und Hochschulkultur, Kommunikation, Teamarbeit sowie Außenwirkung. Am Ende reflektieren sie in fünf Einzelcoachings ihre persönlichen Ziele.
Networking bildet dabei das Querschnittsthema. Auf vier großen Veranstaltungen können sich die Professorinnen mit Ehrengästen, ehemaligen Teilnehmerinnen und Frauen aus Politik und Wirtschaft vernetzen. „Mir ist wichtig, dass diese Veranstaltungen in einem schönen Rahmen, an exklusiven Orten mit Dinner stattfinden“, betont Frauenbeauftragte Fuhrich-Grubert: „Die Professorinnen sollen sich dadurch gewertschätzt fühlen, denn ein Dankeschön bekommen sie in ihrem beruflichen Alltag eher selten zu hören.“
Außerdem sei ein weitverzweigtes, interdisziplinäres Netzwerk die Grundvoraussetzung, um erfolgreich führen und zukünftig mit anderen kooperieren zu können. Denn Ursula Fuhrich-Grubert möchte mit dem Leadership-Wissenschaft-Programm, das sich an Abteilungsleiterinnen und Geschäftsführerinnen der BUA-Verwaltung richtet, einen höheren Frauen-Anteil auf Spitzenpositionen erreichen. Bislang ist ein Drittel der Professorenschaft an der BUA weiblich. Auf der Präsidial-Ebene seien es im bundesweiten Durchschnitt etwa genauso viel Frauen.
„Es ist eine Illusion zu glauben, dass man alles übernehmen kann“

Ursula Fuhrich-Grubert das Leadership-Programm 2012 an der
Humboldt-Universität entwickelt.
Foto: Barbara Herrenkind
Das Interesse an den beiden Förderprogrammen sei groß. „Das Leadership-Programm für Professorinnen hat regelmäßig dreimal so viel Bewerbungen wie Plätze“, so Fuhrich-Grubert. „Das spricht schon Bände.“ Tatsächlich entstünden infolge der Vernetzung nicht nur interdisziplinäre Forschungsvorhaben – Frühere Teilnehmerinnen haben später Positionen wie Dekanin, Vizepräsidentin und Präsidentin übernommen und sind weiterhin in diesen Funktionen tätig. Aileen Edele bemerkt bereits jetzt eine positive Auswirkung. Ihre Haltung zu den vielen Aufgaben als Professorin habe sich verändert: „Mir ist klar geworden, dass wir uns in jedem Karriereabschnitt entscheiden müssen, wo unsere Prioritäten liegen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man alle Aufgaben übernehmen und gut machen kann.“ Nein zu sagen und dies nicht begründen zu müssen, sei kein Zeichen von Schwäche, sondern könne von Stärke zeugen: „Das haben wir geübt.“
Auch das persönliche Coaching habe ihr dabei geholfen, ihre Aufgaben als Forschende, Lehrende und Vorgesetzte zu klären. „Es gibt unterschiedliche Arten, die Rolle als Professorin auszuüben. Manche haben eine sehr enge Expertise, manche sind eher Generalistinnen“, betont sie. Beides könne richtig sein. „Ich bin eher Generalistin und mache gerne mal etwas Neues. Und das ist kein Nachteil.“
Offener Austausch untereinander ein „Riesengewinn“
Nicht zuletzt wird auch der Umgang mit Konflikten und Machtstrukturen in der Universität trainiert. „Wir sind es gewöhnt, auf der sachlichen Ebene zu agieren“, stellt Edele fest. Häufig würden sich hinter dem Austausch von Argumenten aber Machtkonflikte verbergen. „Es ist wichtig zu erkennen, worum es eigentlich geht, um angemessen zu reagieren.“ Insbesondere in den MINT-Fächern mit geringem Frauenanteil unter den Lehrenden werde Macht manchmal subtil ausgeübt, ergänzt Frauenbeauftragte Fuhrich-Grubert und nennt ein Beispiel: „Wie gehe ich damit um, wenn mein Kommentar einfach übergangen wird? Spreche ich das an? Wie spreche ich das an?“
Als besonders wertvoll empfindet Aileen Edele die Vernetzung mit den anderen Frauen: „Es ist ein Riesengewinn, dass wir uns sehr offen und vertrauensvoll miteinander austauschen können. Uns beschäftigen ähnliche Themen und Herausforderungen.“ Das sei hier besonders gut möglich, „weil wir unabhängig voneinander sind, neutral und ohne Eigeninteressen kommunizieren können.“ Die Möglichkeit dazu gibt es nicht nur bei den eintägigen Weiterbildungen, sondern auch mal bei einem Mittagessen. „Und auch nach dem Endes des Programms im Dezember wollen wir uns regelmäßig treffen, austauschen und supporten.“
Autorin: Isabel Fannrich-Lautenschläger