Verleihung der Universitätsmedaille an Hans Keilson
Grußwort am 5. November 2008
In den Bücherregalen des heimischen Wohnzimmers, in dem der Präsident der Humboldt-Universität viel zu selten sitzt, steht neben den Werken von Alfred Kerr und einem Katalog über diesen großen Berliner Theaterkritiker eine zweibändige Ausgabe der Werke von Hans Keilson, erschienen in eben jenem Verlag S. Fischer, der einst den ersten Roman "Das Leben geht weiter" des jungen Medizinstudenten veröffentlichte: "Nach mehr als fünfzig Jahren wird Das Leben geht weiter bei meinem alten Verlag wieder aufgelegt", schreibt Hans Keilson 1984. Und beschreibt, wie er bei Gottfried Bermann Fischer im Dezember 1932 das Manuskript abgab, im Treppenhaus der Bülowstraße mit Alfred Döblin zusammenstieß, der ebenfalls ein Manuskript ablieferte und mit Bermann Fischer (der bekanntlich ursprünglich Mediziner war wie Keilson selbst) nicht über Literatur, sondern die Musikauftritte des jungen Studenten sprach - man fragt sich angesichts der Lektüre ihrer Berliner Nebenbeschäftigungen, des Engagements in der Musik und beim Sport, wann Sie eigentlich studiert haben und wieso Sie so ein guter Mediziner geworden sind. Ihre Studentenband hieß: "Die weißen Raben". Ihr Roman erschien bei Fischer im Frühjahr 1933, da konnte schon jeder merken, was Alfred Kerr so formulierte: "Hitler: das ist der Mob, der Nietzsche gelesen hat". Drei Jahre später mußten Sie dieses Land, in dem der Mob auch an den Universitäten die Macht übernommen hatte, verlassen: "Doch lieg ich jetzt und gar so wund/ im fremden Land und scheu das Licht/ Es tönt aus meines Kindes Mund/ ein andrer Klang als mein Gedicht".
Sie sind inzwischen mehrfach in Berlin gewesen und wir haben uns bei dem bewegenden Gedenkakt zum Jahrestag der Bücherverbrennung kennengelernt, an dem das Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum seine Bibliothek der verbrannten Bücher vorstellte. Was Sie dort und anderswo vor Studierenden unserer Universität taten, haben Sie einmal so formuliert: "Außer in meiner täglichen ärztlichen Praxis habe ich versucht, Geschichte zur Sprache zu bringen, meine Geschichte, die zugleich auch die Geschichte von verschiedenen anderen ist". Eben dafür möchten wir Sie auszeichnen: Die heutige Auszeichnung mit der Universitätsmedaille, der höchsten Auszeichnung dieser Universität, soll ein kleines Zeichen dafür sein, wie dankbar wir Ihnen dafür sind, daß Sie nach so vielen Schrecklichkeiten wieder Verbindung mit Ihrer alten Universität aufgenommen haben, aus Ihrem Leben erzählen und uns damit die Gelegenheit geben, einen durch sein Engagement maßstabsetzenden Studenten der Vergangenheit in der Gegenwart als Autor und Wissenschaftler präsent zu halten. "Was suchen Sie, fragte der Dolmetsch Taxifahrer?/ Spuren? Gibt es hier nicht, seine Antwort,/ studierte den Stadtplan und lenkte den Wagen zurück". Wo spielen diese Zeilen von Hans Keilson? In Berlin? Möglich. In Berlin-Mitte, Unter den Linden 6? Nein, sicher nicht. Ganz gewiß nicht. Niemals.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Präsident der Humboldt-Universität